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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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aus der Gegend wegziehe, um ihr Glück in dem sumpfigen Staat im Westen zu machen, und wie man sie vermissen werde. Dann gibt es noch einen vergilbten Ausschnitt von der Titelseite der Zeitung von Oxford mit einem kleinen Artikel über die Abschiedsparty für die Familie Gudger in Water Valley am Sonntag zuvor. (Das Datum ist der 19. Oktober 1929.)
    Ein Handzettel ist da, der die Gudger-Abschiedsparty ankündigt: am Sonntag, dem 15. Oktober 1929, und jedermann ist eingeladen. Die Leute in Louisiana, die die Spesen für Daddy Gudgers Umzug geschickt hatten, mußten die Kosten gewaltig überschätzt haben. Das sagte ich auch.
    „Nein“, sagte Alma Molière. „Es war zwar viel, aber daran hätte es nicht gelegen. Daddy Gudger war wie Thomas Wolfe; er wußte, was eine goldene Gelegenheit war. Ob er gewinnen, verlieren oder unentschieden abschließen würde – dorthin würde er jedenfalls nicht zurückkehren. Er hätte in jedem Fall eine Art von Soiree gegeben, ob nun das Geld dafür da war oder nicht. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, daß die Leute damals viel geselliger waren, als die meisten Menschen es heute sind.“
    Ich fragte sie, wie viele Leute dagewesen seien.
    „Vier- oder fünfhundert“, sagte sie. „Hier müssen irgendwo ein paar Photos davon sein.“ Wir suchten eine Weile, und dann fanden wir sie.
     
    Noch dreißig Minuten bis zum Abflug. Es macht mich nicht unruhig, hier zu sitzen. Ich bin der einzige Passagier, und der Pilot sitzt am Nebentisch und unterhält sich mit einem Mann von der Royal Air Force. Auf diesen Kolonialinseln geht es viel gemütlicher und netter zu. Das dürfen Sie nicht vergessen.
     
    Ich sehe mir die beiden anderen Photos aus dem Packen an. Eines zeigt ein paar Männer, die Hufeisen- und Ringewerfen spielen; Kinder, Hunde und Frauen sehen ihnen zu. Es wurde offensichtlich vom Ostende des Hauses mit Blick nach Westen aufgenommen. Alle mußten die letzte Meile bis zur Gudger-Farm zu Fuß gegangen sein. Andere Leute stehen in Gruppen zusammen und unterhalten sich. Ein paar Männer in Hemd und Hosenträgern stehen mit zurückgeworfenen Köpfen da: Zweifellos wurde soeben eine ulkige Geschichte erzählt. Ein Mädchen schaut ganz vorn direkt in die Kamera, schüchtern und mit einem Finger im Mund. Sie ist ungefähr fünf. Es sieht aus wie ein ganz normaler Schnappschuß von einem Familientreffen, der überall und zu jeder Zeit gemacht worden sein kann. Nur an der Kleidung erkennt man den Hinterwald der zwanziger Jahre.
     
    Courtney bekommt etwas für sein Geld. Ich werde den Artikel schreiben, die Telephonate führen und die Talkshow-Tournee so planen, daß sie mit der Veröffentlichung zusammenfällt. Dann werde ich mich ein wenig erholen. Danach bin ich dann wieder ein normaler Mensch – ich mache das Examen und verbringe meine Zeit damit, durch den Dschungel hinter Tieren herzuwaten, die in zwanzig Jahren sowieso alle ausgestorben sein werden.
    Wen kümmert’s? Die ganze Angelegenheit wird nichts weiter sein als ein neues Ereignis für die Medien, der Knüller dieses Jahres. Es wird schön sein, wieder normal zu werden. Ich kann Bücher lesen, ins Kino gehen, meine Sachen im Waschsalon waschen und mir Jonathan Richman mit der Stereoanlage anhören.
    Ich kann ins Museum gehen und mir all die wunderbaren toten Dinge anschauen.
     
    „ Das ist das Erinnerungsphoto“, sagte Alma. „Bei großen Ereignissen wie diesem hat man so eins immer gemacht, damals. Alle, die da waren, stellten sich in einer Reihe auf und posierten für die Kamera. Es paßten nur nicht alle darauf. Deshalb ließen wir zwei machen. Auf diesem hier sind wir.“
    Das Haus sieht vor lauter Leuten ganz winzig aus. Alle Größen, Gestalten, Kleider und jedes Alter. Kinder und Hunde vorn, dann Frauen und hinten die Männer. Die einzige Ausnahme bilden die bärtigen Patriarchen, die vorne bei den Kindern sitzen – Männer, deren Augen zwar in die Kamera schauen, deren Köpfe aber noch immer mit etwas ringen, was Nathan Bedford Forrest einst auf raucherfülltem Felde zu ihnen gesagt hat. Dieses Photo ist aus einer anderen Zeit als alle anderen Photos zuvor. Man erkennt Daddy und Mrs. Gudger, wenn man schon andere Photos von ihnen gesehen hat. Alma zeigte mir, wo sie selber war.
    Aber der Grund, weshalb ich dieses Photo mitgenommen habe, steht im Vordergrund. Aus Sägeböcken, auf die Türen und Bretter genagelt wurden, hat man Tische gebaut. Sie erstrecken sich über die ganze Breite des Photos. Sie sind

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