Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
Lähmgases, vielleicht aber auch mit der Konstitution der Kreatur, die man auf der Pritsche im Polizeiwagen festgebunden hatte, verrechnet. Sperrle, sich Notizen machend und wie abwesend dem Geschwätz der begleitenden Beamten, die noch immer wie mit zugeschnürten Kehlen sprachen und sich Luft machten mit dummen Scherzen, lauschend, ließ plötzlich, als ihn ein kalter Hauch, ein kaltes Gefühl, ein Luftzug, als ob jemand die Frontscheibe des Wagens für Momente geöffnet hätte, den Schreibblock sinken.
    Es gab nur eine Richtung, in die er blicken konnte. Die Kreatur hatte die Augen geöffnet. Er sah in ihre gelben, aufglimmenden Augen. Das viereckige Kinn schien zu rucken. Die Wangenknochen krachten. Der Mund war eine aufklaffende, brüllende Höhle. Das Vieh war vom einen zum anderen Augenblick zurück ins Leben gesprungen. Es zerrte an seinen Stricken. Die Lederriemen, in die es gefesselt war, platzten.
    Der Boden vibrierte, als es seine Füße auf den Metallkasten stellte. Es waren riesige Hände, die nach Sperrle langten. Notizblock und Schreiber fielen zu Boden. Sperrle, mit herausquellenden Augen, hing an dem inneren Gitter. Glas regnete zu Boden. Das Monstrum hatte nach Sperrle gegriffen. Währenddessen waren vielleicht zwei, drei Sekunden vergangen. Die Beamten, die im vorderen Abteil saßen, waren, weiß in den Gesichtern, herumgefahren.
    Würde man die Szene filmisch festgehalten haben, so wäre der Eindruck entstanden, daß das Ungeheuer mitten in der Luft verhalten hatte – gewissermaßen auf halbem Wege zwischen dem Körper Sperrles und denen der übrigen Beamten, gleichsam mit ihnen allen ein Dreieck bildend, in dem es sich entscheiden mußte. Was wußten sie, wie schnell ein solches Ungeheuer lernen konnte? Was wußten sie, welche Programme in seinem Gehirn jetzt abgefahren wurden? Wie konnten sie ahnen, wie es die Vorfälle im Keller, als man es eingeschläfert hatte, verarbeitet haben würde?
    Wie auch immer seine Reaktion rettete Sperrle das Leben. Das Ding hatte sich aus diesem Zwischenraum in der Luft gleichsam herausgenommen. Schlug einen Haken. Drehte in der Luft seinen Körper. War ein brüllendes Etwas, das gegen die hintere Tür platzte. Die Bahre, auf der man es in den Wagen getragen hatte, befand sich nun in seinen Händen. Als würde ein Gong geschlagen, hämmerte es mit der Bahre gegen die Tür. Noch bevor der erste Schuß krachte, war es, durch die zersplitternde Tür, inmitten eines Stahl- und Glasregens draußen, stürzte dröhnend auf die Straße, kam ein wenig schief, ein wenig verzerrt, ein wenig quer auf die Beine. Taumelte gegen ein aufdröhnendes Fahrzeug, dessen Fahrer das Steuer herumgerissen hatte. Torkelte gegen einen Alleebaum, riß dessen Zweige herunter. Stürzte eine Böschung hinunter. Und war, während die ersten Schüsse über es hinwegpeitschten, den Augen der Beamten entschwunden.
     
    Es war mit Sperrle fast wie mit einem Verbrecher, den es zum Tatort zurückzieht. Damit wir uns nicht mißverstehen. Es ist klar, daß man die beiden Seiten – diesseits und jenseits des Gesetzes – mitunter austauschen könnte. Was ist Recht, was ist Unrecht in einer Welt der Gewalt und der Stärke? Handelt jemand richtig, wenn er, nur weil er normal ist, andere umstößt? Und was hätte er davon, würde er nicht so handeln? Es ist hier nicht der Ort zu moralisieren.
    Gleichwohl ist es nicht verkehrt, Sperrle als jemanden zu sehen, den es magisch ins Labor des Dr. Broadnar zurückzog. Zum einen hatten sich die Schwaden des Lähmgases verzogen und waren auch aus den Holztäfelungen, aus den Armaturen, aus den Zementschichtungen verflogen. Zum andern aber hoffte Sperrle, irgendeinen Hinweis zu finden, der ihm klärte, was hinter den Vorgängen steckte. Was Sperrle als Täter betraf, der zum Tatort zurückkehrt, so war er sich im klaren über die Austauschbarkeit der Rollen im Leben.
    Das Labor an diesem frühen Morgen lag kalt und verlassen. Die Polizisten, die Sperrle durchgelassen hatten, hatten die Hände unter den Achselhöhlen vergraben. Sperrle hatte den letzten Beamten an der Eingangstür zum Labor abgeschüttelt, da er allein sein wollte. Ein Notaggregat, den Strom ins Labor liefernd, brannte. Man hatte die Figuren, denen alle Züge von Dr. Broadnar anhafteten, aus den Nährtanks abgezogen. Dennoch schien es Sperrle, als würden aus allen Ecken und Winkeln des Labors Greise und Gnomen, Zwerge und verwurzelte Menschen wachsen.
    Ein Pult hatte seine Aufmerksamkeit auf sich

Weitere Kostenlose Bücher