Kopernikus 8
Dann wäre es egal gewesen. Aber ich konnte nicht warten … Ich versuchte es. Ich hatte mir vorgestellt, daß wir uns ineinander verlieben und es zu dem Zeitpunkt, wenn sich die Krankheit bei dir zeigte, keine Rolle mehr spielen würde, wenn ich sie auch habe.“
Er war lange stumm. Dann sagte er: „Vielleicht wolltest du aber auch dadurch sicherstellen, daß ich Sempoanga auch ganz gewiß nicht mehr verlassen kann.“
„Nein. Ich schwöre es.“ Schock und Entsetzen standen in ihren Augen geschrieben. „Das mußt du mir glauben, Helmut!“
„Ich sollte dich wirklich töten“, sagte er, und einen Augenblick lang glaubte er tatsächlich, daß er es tun würde. Doch dann drehte er sich statt dessen um und rannte mit weit ausholenden, unregelmäßigen Schritten davon, durch einen Hain voller Oktopuspalmen, an einem Beet mit elektrischen Orchideen vorbei, die ihn mit indignierten Lichtblitzen bedachten und mit ihren Glöckchen klingelten, und schließlich durch einen seichten Schlammtümpel, in dem es von kleinen pelzigen Schlangen nur so wimmelte, und den Hang des Stinivonggipfels hinauf, wobei er tatsächlich daran dachte, sich hinabzustürzen. Auf halber Höhe brach er allerdings erschöpft zusammen, und die Zeit, während er keuchend und nach Atem ringend am Boden lag, kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Als er nach Einbruch der Dämmerung in sein Hotelzimmer zurückkehrte, erwartete ihn bereits ein umfangreicher Stapel Formulare – seine Rechte und Pflichten unter Quarantäne, wie er Guthaben von seiner Heimatwelt überweisen lassen konnte, Vor- und Nachteile des Antrags auf sempoanganische Bürgerrechte und vieles andere mehr. Er überflog alles flüchtig und legte den Stapel dann beiseite, nachdem er ihn zur Hälfte durchgeblättert hatte. An so etwas zu denken war augenblicklich unmöglich. Er schloß die Augen und vergrub das Gesicht im Kissen, und plötzlich brannten Bilder von Waldemar in seiner Erinnerung: der große Gletscher zur Weihnachtszeit, die Eisyachtrennen, die warmen und hell erleuchteten Tunnels seiner Heimatstadt, sein hübsches Haus mit dem Kuppeldach, seine letzte Nacht mit Elissa, sein ordentliches Büro mit den langen Reihen der Kommunikationsterminals …
Das alles würde er niemals wiedersehen, und die Umstände waren so dumm, so unglaublich dumm, daß er es kaum glauben konnte.
Er konnte zum Abendessen nicht in den Speisesaal gehen. Er bestellte beim Zimmerservice ein Essen, das er allerdings unberührt ließ. Erst am Morgen, nach einer Nacht voller Alpträume, knabberte er etwas daran. An diesem Tag wanderte er wahllos allein umher und gewöhnte sich an das, was ihm widerfahren war. Es war ein herrlicher Tag, der Himmel war von einer samtrosa Tönung, die Flammenbäume glühten, aber das alles hatte seinen Glanz für ihn verloren. Auch wenn dieser Ort ein Paradies war, so war er doch dazu verurteilt, ewig darin zu verweilen, und auf dieser Basis unterschied er sich recht wenig von der Hölle.
Zwei Tage lang durchstreifte er das Hotelgelände wie sein eigener Geist und sprach mit niemandem. Er sah Marbella erst am dritten Tag, nachdem Zanjak in ihm aufgetreten war, wieder. Um seinen Depressionen Abhilfe zu schaffen, war er in die Cocktailbar gegangen, und sie war auch dort, allein und offensichtlich nachdenklich. Sie strahlte, als sie ihn sah, doch er funkelte sie nur an und ging weiter zur Theke. Dort saß ein Neuankömmling, eine attraktive, zerbrechlich aussehende junge Frau mit großen, dunklen Augen und kastanienfarbenem Haar. Helmut machte sich vorsätzlich und teuflisch daran, sie vor Marbellas Augen aufzureißen. Ihr Name war Sinuise, und sie kam von einem Planeten, der
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