Kopernikus 8
magerste Straßenrandattraktion sein.“
Mein Tank war fast leer, und es waren keine offenen Tankstellen in Sicht, aber ich machte mir deshalb keine Sorgen. Seit Jahren hatte es kein erleuchtetes Neonschild mit Geschlossen vor irgendeinem dieser Flohnester gegeben; sie brannten alle darauf, Umsatz zu machen. Ich würde die Nacht in der nächsten Stadt verbringen – was für eine Stadt es auch sein mochte – und mich am Morgen auf die Suche nach Benzin machen.
Der Horizon fuhr mit Leichtigkeit auf den Parkplatz des Azalea Motels, ein niedriges, rosafarbenes Gebäude mit Rostflecken, die durch die Wände auf den verstärkten Stahlträgern unter dem Beton sichtbar wurden.
Derlei Etablissements haben selten ein Foyer, und das Azalea bildete keine Ausnahme. In dem engen Büro saß eine dicke Frau vor der arktischen Brise eines Fedders-Ventilators und sah sich Hee-Haw an. Sie konnte mich über die unaufhörlichen Beifallsausbrüche und das Gelächter nicht hören, aber bald ersetzten die gedämpften Klänge süßer Country-Musik die aufgezeichneten Witze, was fast eine Unterhaltung ermöglichte. Ich verhandelte wegen des Zimmerschlüssels, aber sie beließ es nicht dabei.
„Sie seh’n wie’n Typ aus, der die Freak-Show seh’n will“, sagte sie.
Es war lange Zeit her, seit ein Erwachsener zuletzt eine Bemerkung über meine Albinokrankheit gemacht hatte. Kindern erkläre ich immer, daß es ein Pigmentmangel ist, der meine Haut so weiß erscheinen läßt, aber diese Frau war kein Kind. Ich starrte sie an – und sie starrte zurück, bis ich meine Augen über das Gästebuch senkte.
„Ich bin Mrs. Nickerson“, sagte sie, während ich meinen Namen schrieb. „Bump – das is’ mein Mann – is’ gerade nich’ hier.“ Sie betrachtete meinen Koffer, als sei er ein gefährliches Tier.
„Oh.“ Ich nahm an, sie versuchte, mir klarzumachen, daß sie mir meine Tasche nicht aufs Zimmer tragen würde. „Zeigen Sie mir nur die genaue Richtung.“
„’s gibt nur eine Richtung.“ Sie deutete zu ihrer Linken.
„Äh … ich danke Ihnen, Mrs. Nickerson.“ Ich nahm meine Tasche, der Schlüssel baumelte an der freien Hand, und ging wie ein guter Junge wieder in die immer noch drückende Hitze hinaus. Der Sonnenuntergang hatte jetzt eine pfirsichfarbene Welt geschaffen, abgesehen von blutfarbenen Ixora, gelbem Hibiskus und purpurfarbenen Bougainvillea, deren Wurzeln sich im geborstenen, am Motel entlangführenden Pfad dahinschlängelten. Azaleen sah ich keine.
Das Zimmer war nicht so schlecht, wie ich erwartete: Sperrholzwände, eine akzeptable, nicht zerlumpte Matratze, in sauberes Leinen gehüllt, ein mit einem Pferdekopf verzierter Lampenschirm, wobei die gefühlvollen Augen des Tieres sehnsüchtig auf den Alkoven starrten, der das Waschbecken beinhaltete – warum haben Motels niemals Waschbecken im Badezimmer? –, saubere weiße Handtücher, ein Farbfernseher mit einer kaputten Röhre, die die Schauspieler ein bißchen verschwommen erscheinen ließ, ein leicht staubiger Geruch und eine Dusche, die ich sofort ausprobierte.
Nachdem ich geduscht hatte, beschloß ich, einen Spaziergang zu machen. Es standen drei Wagen neben meinem auf dem Parkplatz. Der eine war ein grüner Ford, der bis obenhin mit Säcken voller Torfmoos beladen war. Ein großer Mann, dick, um die Fünfzig und sonnenverbrannt, beendete das Aufladen. Er trug ein weißes Unterhemd, und sein spärliches Haar war mit Pomade auf seinem breiten Schädel festgeklebt. Plötzlich bemerkte er mich und nickte. Ich fragte ihn, ob er zufälligerweise Bump Nickerson sei.
„Kein anderer“, entgegnete er und wischte sich den Schweiß von den Brauen. Er
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