Kopernikus 8
sie alle weinten wie die kleinen Kinder, wenn sie wollten …
Mit Genehmigung von Kanal 202, aus dem beliebten Programm Wie verhält sich eine Mutter?
Er weint aber nicht, weil er sich wie ein Mann fühlt, der an seine geliebte Mutter denkt, die tot ist, aber schon lange Zeit tot. Seine Mutter ist schon lange unter einem Erdrutsch von Fleisch begraben. Mit sechzehn hatte er eine liebliche Mutter gehabt.
Dann schaltete sie ihn ab.
NUR EINE BLASENDE FAMILIE IST EINE
WACHSENDE FAMILIE
aus einem Gedicht von Edgar A. Grist, über Kanal 88.
„Mein Sohn, ich verstehe nicht viel davon. Ich tue es nur, weil ich dich liebe.“
Und dann fett, fett, fett. Wohin ist sie verschwunden? Den Fettgewebetunnel hinab. Verschwand, während sie größer wurde.
„Sonny, du könntest wenigstens hin und wieder mit mir ringen.“
„Du hast mich abgeschaltet, Mama. Das war schon recht. Ich bin jetzt ein großer Junge. Aber du hast kein Recht, von mir zu erwarten, daß ich es wieder aufnehmen möchte.“
„Du liebst mich nicht mehr!“
„Was gibt’s zum Frühstück, Mama?“ fragt Chib.
„Ich habe ein gutes Blatt auf der Hand, Chibby“, sagt Mama. „Wie du mir schon so oft gesagt hast, du bist jetzt ein großer Junge. Mach dir ausnahmsweise einmal das Frühstück selbst.“
„Weshalb hast du mich gerufen?“
„Ich habe vergessen, wann deine Ausstellung beginnt. Ich wollte noch etwas ausschlafen, ehe ich hingehe.“
„Vierzehn Uhr dreißig, Mama, aber du mußt nicht hin.“
Rotgefärbte grüne Lippen öffnen sich wie eine eiternde Wunde. Sie kratzt sich an einem getönten Nippel. „Oh, ich möchte aber hin! Ich möchte mir den künstlerischen Triumph meines Sohnes nicht entgehen lassen. Glaubst du, du wirst die Unterstützung bekommen?“
„Wenn nicht, dann heißt das Ägypten für uns“, sagt er.
„Diese stinkenden Araber“, sagt William der Eroberer.
„Das Bureau ist verantwortlich, nicht die Araber“, sagt Chib. „Die Araber sind aus denselben Gründen umgezogen, aus denen wir vielleicht umziehen müssen.“
Aus Großpapas unveröffentlichtem MS: Wer hätte sich träumen lassen, daß Beverly Hills antisemitisch werden würde?
„Ich will aber nicht nach Ägypten!“ winselt Mama. „Du mußt die Unterstützung einfach bekommen, Chibby. Ich will das Gelege hier nicht verlassen. Hier wurde ich geboren und erzogen, allerdings auf der zehnten Ebene. Und als ich dann umgezogen bin, da sind alle meine Freunde mitgekommen. Ich will nicht weg!“
„Weine nicht, Mama“, sagt Chib, der unwillkürlich Abscheu empfindet. „Weine nicht. Die Regierung kann dich nicht zum Gehen zwingen. Du hast deine Rechte.“
„Wenn du auch weiterhin Nachschub haben willst, dann wirst du gehen“, sagt der Eroberer. „Das heißt, wenn Chib die Unterstützung nicht bekommt. Und ich würde ihm keinen Vorwurf machen, wenn er sich gar nicht erst darum bemüht. Ist nicht seine Schuld, daß du zu Onkel Sam nicht nein sagen kannst. Du hast dein Purpur und noch das, was Chib vom Verkauf seiner Bilder bekommt. Und doch reicht das nicht. Du gibst es schneller aus, als du es bekommst.“
Mama schreit William wütend an, dann sind sie weg. Chib schaltet das Fido ab. Zum Teufel mit dem Frühstück, er wird später essen. Das letzte Bild für die Ausstellung mußte bis zum Nachmittag fertig sein. Er drückt einen Knopf, worauf sich der etwa eiförmige Raum hier und dort öffnet und die Zeichenausstattung wie ein Geschenk elektronischer Götter herauskommt. Zeuxis würde ausflippen, und Van Gogh würde den Tatterich bekommen, wenn sie sehen könnten, mit was für Pinseln und welcher Leinwand Chib arbeitet.
Der Prozeß des Malens erfordert auch das einzelne Biegen und Drehen von Tausenden von Drähten in andere Formen von unterschiedlicher Höhe. Die
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