Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
glau­be, des­sen Na­me lau­te­te Ra­leigh Re­naissance – und sei­ne Tan­te und sein Ur­ur­groß­va­ter. Das liegt nur am Ma­len und an den jun­gen Ra­di­ka­len, den Jun­gen Ret­ti­chen, mit de­nen er im­mer her­um­zieht. Er ist zu künst­le­risch, zu sen­si­bel. O Gott, wenn mei­nem klei­nen Jun­gen et­was zu­stößt, dann muß ich nach Ägyp­ten.
    Chib kennt ih­re Ge­dan­ken, die sie so oft aus­ge­spro­chen hat, da sie au­ßer­stan­de ist, neue zu ha­ben. Er geht wort­los an der Ta­fel­run­de vor­bei. Die Rit­ter und La­dys die­ses ge­türk­ten Ca­me­lot se­hen ihn durch Bier dunst an.
    In der Kü­che öff­net er ei­ne ova­le Tür in der Wand. Er ent­fernt ein Ta­blett mit Es­sen in zu­ge­deck­ten Schüs­seln und Tas­sen, die aus­nahms­los aus Plas­tik be­ste­hen.
    „Möch­test du denn nicht mit uns es­sen?“
    „Heul nicht, Ma­ma“, sagt er und geht in sein Zim­mer zu­rück, um noch ei­ni­ge Zi­gar­ren für Groß­pa­pa zu ho­len. Die Tür, die die ver­än­der­li­chen, aber im­mer kennt­li­chen elek­tri­schen Fel­der der Epi­der­mis wahr­nimmt, ver­stärkt und um­wan­delt, rea­giert auf ihn. Chib ist zu auf­ge­regt. Ma­gne­ti­sche Mahl­strö­me ra­sen über sei­ne Haut und zer­stö­ren die spek­tra­le Kon­fi­gu­ra­ti­on. Die Tür rollt halb zu­rück, rollt wie­der vor, än­dert ih­re Mei­nung, rollt zu­rück und wie­der vor.
    Chib kickt ge­gen die Tür, wor­auf sie vollends blo­ckiert. Er be­schließt, ein Vi­deo- oder Au­dio­se­sam ein­bau­en zu las­sen. Der Är­ger ist nur, daß er knapp an Ein­hei­ten ist und die ent­spre­chen­den Ma­te­ria­li­en nicht kau­fen kann. Schul­ter­zu­ckend be­gibt er sich in dem ein­wan­di­gen Flur bis zu Groß­pa­pas Tür, die hin­ter den Zieh­har­mo­ni­ka­wän­den vor den Bli­cken de­rer im Wohn­zim­mer ver­bor­gen ist.
     
    „Denn er sang von Frie­den und Frei­heit,
    Sang von Schön­heit, Lie­be und Ver­lan­gen;
    Sang von Tod und un­s­terb­li­chem Le­ben
    Auf den In­seln der Ge­seg­ne­ten,
    Im Kö­nig­reich von Po­ne­mah,
    Im Lan­de des Jen­seits.
    Sehr na­he bei Hia­wa­tha
    War der sanf­te Chi­bia­bos.“
     
    Chib singt das Ko­de­wort. Die Tür rollt zu­rück.
    Licht strahlt her­aus, ein gelb­li­ches, röt­lich an­ge­hauch­tes Licht, das Groß­pa­pas ei­ge­ne Er­fin­dung ist. Schaut man ins kon­ve­xe Oval der Tür, so ist das, als wür­de man in die Iris im Au­ge ei­nes wahn­sin­ni­gen Rie­sen schau­en.
    Groß­pa­pa, in der Mit­te des Raum­es, hat einen wei­ßen Bart bis zu den Ober­schen­keln und Kopf­haar bis fast an die Knie­keh­len. Ob­wohl Haar und Bart sei­ne Nackt­heit ver­ber­gen wür­den und er über­dies nicht mehr un­ter die Leu­te geht, trägt Groß­pa­pa ei­ne kur­ze Ho­se. Groß­pa­pa ist ein we­nig alt­mo­disch, was aber bei ei­nem Mann von ein­hun­dert­und­zwan­zig Len­zen auch ver­ständ­lich ist.
    Er ist ein­äu­gig, wie Rex Lus­cus. Aber er lä­chelt mit ei­ge­nen Zäh­nen, die aus vor drei­ßig Jah­ren ein­ge­pflanz­ten Stum­meln ge­wach­sen sind. Ei­ne große, grü­ne Zi­gar­re sticht aus ei­nem Mund­win­kel her­vor. Sei­ne Na­se ist breit und platt, als wä­re die Zeit schwe­ren Fu­ßes über sie hin­weg­ge­schrit­ten. Stirn und Wan­gen sind eben­falls breit, was wahr­schein­lich auf einen Schuß Ojib­way­blut zu­rück­zu­füh­ren ist, der in sei­nen Adern fließt, ob­wohl er ein ge­bo­re­ner Fin­ne­gan ist und so­gar kel­tisch riecht, sieht man vom Whis­keyaro­ma ab. Er hält den Kopf auf­recht, und die blau­en Au­gen sind wie Tüm­pel am Fuß ei­ner ur­zeit­li­chen Schlucht, die Über­bleib­sel ei­nes ge­schmol­ze­nen Glet­schers.
    Al­les in al­lem ist Groß­pa­pas Ge­sicht das Od­ins, der ge­ra­de vom Brun­nen von Mi­mir zu­rück­kommt und sich fragt, ob er einen zu ho­hen Preis ge­zahlt hat. Oder ist es das Ge­sicht der win­dum­tos­ten und sand­ge­schmir­gel­ten Sphinx von Gi­zeh?
    „Vier­zig Jahr­hun­der­te der Hys­te­rie se­hen auf euch her­ab, um Na­po­le­on zu ver­ball­hor­nen“, sagt Groß­pa­pa. „Der Fels­kopf der Jahr­hun­der­te. Was al­so ist der Mensch? sag­te die neue Sphinx, nach­dem Ödi­pus die Fra­ge der al­ten Sphinx be­ant­wor­ten konn­te und nichts

Weitere Kostenlose Bücher