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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Uterus anpaßten. Coyote räusperte sich und fügte dem Chor sein eigenes Murmeln hinzu. Sie waren wie ein Ozean zu Wanderers Mond, dachte er, und verwahrte die Metapher sorgsam an einem Ort, wo er sie wiederfinden konnte, wenn er wieder an seinen Gedichten arbeitete.
    Der Gesang schwoll in immer stärkeren Wogen an und wieder ab. Eine der drei Mitfrauen hielt eine Armbanduhr in der Hand und murmelte Wanderer hin und wieder etwas zu, obwohl deren Konzentration völlig nach innen gekehrt schien. Sie hatte die Augen geschlossen und den Mund geöffnet. Sie veränderte mehrere Male ihre Haltung, bis sie schließlich die Gesäßbacken fest an den Boden preßte. Die Hände einer weiteren Mitfrau – Coyote kannte sie von den Gemeinschaftsgärten, ihr Name war Gael – ruhten auf Wanderers Schultern, um sie zu stützen, während die dritte auf dem Leinentuch lag und Wanderers Bauch, ihre Lenden und die ausgedehnte Vagina massierte. Als Wanderer schrille Laute der Ekstase und des Schmerzes von sich gab, erreichte auch der Gesang einen Höhepunkt, und dann erschien verblüffend rasch das nasse, rote Rund des Babykopfes zwischen ihren Schenkeln. Wanderer lehnte sich in Gaels Arme zurück, während die dritte Mitfrau das Baby in die Arme nahm. Die Hüften, die Knie und die winzigen Füßchen kamen heraus, schließlich hob die Frau das Baby empor und legte es auf Wanderers Bauch. Wanderers Hände griffen suchend hinab, spürten den Kopf und die kleinen Händchen. Da lächelte sie ganz kurz. Coyote war der Meinung, daß sie erschöpft aussah. Gael schob ihr ein Kissen unter den Kopf. Im Raum war es sehr still geworden, und das blieb auch so, bis das Baby nach mehreren Minuten den Gebrauch seiner Lunge entdeckte und einen kurzen Schrei ausstieß – dann erst begannen die Versammelten zu murmeln, zu lachen oder zu weinen.
    Coyote blieb nicht und sah sich auch das Durchtrennen der Nabelschnur und die Riten nach der Geburt nicht an. Er erhob sich ungelenk und gesellte sich zu einigen anderen draußen. Niemand sagte etwas, sie sahen alle nur ernst oder glücklich drein. Jemandem im Garten wurde übel, Freunde halfen ihm. Ein Mann, den Coyote nicht kannte, lachte laut, obwohl seine Wangen tränenverschmiert waren, und breitete die Arme zur Sonne aus.
    Coyote sah sich nach Spatz um.
     
    „Aber schau dir doch nur die Augen an! He, hallo, Kleines!“ Spinne berührte die winzige Handfläche mit einer Fingerspitze, die Hand schloß sich um ihren Knöchel, die Augen schauten wiederholt zu ihr hinauf. Spinne lächelte auf Wanderer hinab. „Hast du das gesehen?“ Sie nahm Wanderers rechte Hand und schloß sie sanft um die Hand des Babys, die ihren Finger umklammert hielt. „Siehst du? Ich meine, fühlst du es? Das ist ein instinktiver Mechanismus aus der Zeit, als wir noch alle Haare auf Bauch und Rücken hatten, an denen die Neugeborenen sich festklammern konnten.“
    Wanderers marmorfarbene Augen schimmerten feucht, und sie sah zur Decke empor. „Ich verstehe“, sagte sie.
    Spinne lächelte und küßte die Finger der Frau. „Du hast alles gut überstanden, Kleines, wirklich prima. Das Baby ist sogar eine Sie.“
    Wanderer lächelte erschöpft und schüttelte den Kopf. „Du weißt, Liebes, daß ich schon lange behaupte, eine Geburt sei weniger Frauen- als Menschensache. Zu schade, daß die Hälfte unserer Bevölkerung leider außerstande ist, selbst diesen göttlichen Erschöpfungszustand zu erleben.“
    Spinne lachte. „Pssst. Über Politik können wir uns später unterhalten.“ Und plötzlich war sie traurig. Der Gemeinschaftsraum war fast verlassen, die Sonne ging unter. Oder vielmehr, dachte Spinne, die Erde ging auf. Sie spürte eine Träne, die ihre Wange hinabrollte. „Wanderer?“ Sie suchte in ihrer Tasche nach einem Stück Papier.
    „Mmm?“ Wanderer schien schon fast eingeschlafen zu sein.
    „Wir sehen uns später, ja?“
    Sie nickte verträumt.
    „Sagen wir … in einem Jahr?“
    Wanderer öffnete Augen, die nicht sahen.
    „Ich gehe“, sagte Spinne mit einiger Anstrengung. „Ich weiß nicht, wohin. Wahrscheinlich nach Osten, nach Virginia. Ich möchte etwas Staub zwischen den Zehen spüren und mal was anderes sehen.“ Sie wartete darauf, daß Wanderer etwas sagte, aber diese gab keine Antwort. „Ich werde im nächsten Frühjahr zurückkehren, das verspreche ich dir. Denk doch nur. Diese kleine Lady hier wird dann schon im Haus umhergehen können.“
    Nun lachte Wanderer unter Tränen. „Das bezweifle

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