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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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ich.“
    „Er?“
    Der al­te Mann schi­en mich nicht zu hö­ren. Er hob ein Stück­chen von dem Tuch an und starr­te dar­un­ter. „Nein, geht in Ord­nung … falls Sie si­cher sind, daß Sie ihn se­hen wol­len.“
    „Ja.“
    Oh­ne Ze­re­mo­nie ent­hüll­te er ein großes Glas­ter­ra­ri­um und trat mit dem schmie­ri­gen Tuch in den knor­ri­gen Far­mer­hän­den zu­rück.
    Ich weiß nicht, wie lan­ge ich mit of­fe­nem Mund da­ge­stan­den und auf die­sen un­glaub­li­chen An­blick ge­st­arrt ha­be. Ich er­in­ne­re mich, daß der al­te Mann wie in ei­nem Traum zu mir sprach: „Ge­nau­so han­deln die meis­ten Men­schen, wenn sie ihn se­hen.“
    Das Ding war ein Al­bi­no-Af­fe … nein … der wei­ße Pelz war Fleisch … kahl, wie das Huhn … Ar­me und Bei­ne in lä­cher­li­chen Win­keln ge­beugt … ge­beugt wie der al­te Mann …
    Nein, nicht ge­beugt. Das un­mög­li­che Ding stand auf­recht auf ei­nem Bett aus dunklen Spä­nen. Sei­ne Be­we­gun­gen er­in­ner­ten in ih­rer Viel­falt an einen Zei­chentrick­film von Rü­be Gold­berg. Mit sei­nen zier­li­chen, auf­klapp­ba­ren Hän­den, die für sei­nen vier­zig Zen­ti­me­ter lan­gen Kör­per viel zu groß wa­ren, griff es an den Rand des Ter­ra­ri­ums und starr­te mich zwi­schen sei­nen röh­ren­för­mi­gen Ar­men mit kar­me­sin­ro­ten Au­gen an.
    Es war ein Ge­gen­stand des Spot­tes, ein Zerr­bild aus ei­nem alp­traum­haf­ten Spie­gel­ka­bi­nett. Als ob es mein Keu­chen imi­tie­ren woll­te, öff­ne­te das Ge­schöpf den Mund und ent­blö­ßte da­mit ein ge­ripp­tes Weiß, ein pel­zi­ges Schnee­feld hier, im er­sti­cken­den Som­mer Flo­ri­das. Nicht das lei­ses­te Ge­räusch drang aus die­ser jung­fräu­li­chen Öff­nung.
    Die Hen­ne ga­cker­te, und das Ge­räusch brach­te mich ein biß­chen nä­her an die Wirk­lich­keit. Oh­ne die Au­gen von der Krea­tur ab­zu­wen­den, flüs­ter­te ich: „Was ist das?“
    „Er“, kor­ri­gier­te mich der Mann. „Er ist ei­ne Per­son. Könn­te ein biß­chen an­ders aus­se­hen und han­deln, aber er ist ein Mensch. So wie ich … so wie Sie.“
    „Was?“ Ich starr­te ihn an, um zu se­hen, ob er mich ver­spot­te­te wie Mrs. Nicker­son im Mo­tel. Aber es war kei­ne Bos­heit in sei­nem wet­ter­ge­gerb­ten Ge­sicht. Er nick­te der merk­wür­di­gen Krea­tur zu.
    „Is­ser nich’ aus­ge­fal­len?“
    „Wo ha­ben Sie ihn her?“
    „Nun, er lebt bei mir seit ich, Mo­ment mal … sechs­und­zwan­zig war. Vor­her war er bei dem al­ten Bo Wad­ley, bis die­ser starb, und Bo selbst sag­te mir, daß ihn sein Va­ter schon vor Bos Ge­burt im Be­sitz hat­te. Er be­haup­te­te, daß er schon hier leb­te, be­vor wei­ße Men­schen über­haupt nach Flo­ri­da ka­men.“
    „Bo­ca Bian­ca“, sag­te ich. Ei­ne Of­fen­ba­rung. Die Spa­nier müs­sen ih­re Nie­der­las­sung vor et­wa vier Jahr­hun­der­ten nach die­ser Krea­tur be­nannt ha­ben. „Aber wie konn­te er so lan­ge über­le­ben?“
    Der al­te Mann saug­te an sei­nen falschen Zäh­nen. „Der lebt län­ger als wir, neh­me ich an.“
    „Was ißt er denn?“
    „Ab­ge­stor­be­ne Pflan­zen, ver­rot­te­tes Holz und Torf­moos. Da­zu trinkt er et­was Was­ser.“
    Ich konn­te das ba­ro­cke Mus­ter sei­ner Rip­pen er­ken­nen, ei­ne sur­rea­lis­ti­sche Struk­tur ne­ben ge­streif­ten Bän­dern aus Mus­keln und glat­tem, sei­di­gem Fleisch. Die Phy­sio­gno­mie glich va­ge ei­nem Men­schen, und die glän­zen­den, ro­ten Au­gen wa­ren un­er­gründ­lich. Die­se Zü­ge wa­ren gro­tesk ge­nug, aber der Mund ver­bog den zer­furch­ten Schä­del zu ei­nem schmerz­vol­len pro­gna­thi­schen Aus­druck, öff­ne­te ihn zu ei­nem Trich­ter, zu ei­nem laut­lo­sen Schrei, der ei­ne em­pa­thi­sche Sai­te in mir an­schlug.
    „Warum hal­ten Sie ihn hier in die­ser Scheu­ne, bei all die­sen de­for­mier­ten Tie­ren?“ frag­te ich.
    „Tja, das war sei­ne Idee“, ant­wor­te­te der al­te Mann vor­wurfs­voll. „Wir brauch­ten Geld, um le­ben zu kön­nen, und so kam er vor ein paar Jah­ren auf die Idee mit der Fre­ak-Show. Nach kur­z­er Zeit ge­wöhn­te er sich an, hier drau­ßen zu schla­fen, um al­les im Au­ge be­hal­ten zu kön­nen.“
    „Sei­ne Idee?

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