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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Zen­trum des rech­ten Hin­ter­hufs brei­tet sich ein po­chen­der Schmerz im Bein aus. Ich glau­be, ich ha­be ei­ne Schwel­lung.
    Wie­der auf der Wie­se, le­ge ich mich im ho­hen, küh­len Gras nie­der. Beim Schla­fen ist mir im­mer un­wohl. Ste­he ich wie ein Pferd, sinkt mein Kopf nach vor­ne, und ich be­kom­me Rücken­schmer­zen. Auf der Sei­te zu lie­gen, den Kopf auf die Ar­me ge­bet­tet, ist eben­falls un­be­quem, weil mir da­bei im­mer die Ar­me ein­schla­fen.
    Als ich wie­der er­wa­che, fällt be­reits der Schat­ten der Ber­ge über mich. Bald wird es dun­kel wer­den, und der Voll­mond wird schei­nen. Ich stre­cke die Vor­der­bei­ne aus und rich­te mich auf.
    Ein wei­ßer Blitz zwi­schen den Bäu­men er­regt mei­ne Auf­merk­sam­keit.
    „El­fle­da!“
    Sie bleibt ste­hen und wen­det sich mir zu, wo­bei sie den Kopf an­mu­tig senkt, um das Horn zwi­schen Zwei­gen her­aus­zu­zie­hen. Sie hat klei­ne Brüs­te und lan­ge, kräf­ti­ge Hän­de. Am Na­bel geht Men­schen­haut in Tier­fell über, doch wie al­le an­de­ren Äqui­for­men auch ver­fügt sie über mensch­li­che Ge­schlechts­or­ga­ne zwi­schen den Bei­nen. Un­se­re Be­sit­zer müs­sen El­fle­das Tier­kör­per sorg­fäl­tig ge­plant und ge­züch­tet ha­ben, denn sie ist so­wohl Pferd wie Hirsch, ihr Fell aber ist das kräf­ti­ge und be­zau­bern­de ei­ner Zie­ge. Sie we­delt mit dem Schwanz.
    „Hal­lo, Achil­leus. Was willst du?“
    „Ich …“ Aber ich kann nichts von ihr wol­len, das sie mir ge­ben wür­de. Sie ist nicht grau­sam, nur di­stan­ziert. Sie hegt kei­ne be­son­de­ren Ge­füh­le für mich, und ich ha­be auch kei­nen Grund, das zu er­war­ten.
    „Sie wer­den bald wie­der­kom­men“, sagt sie.
    „Ich hof­fe nicht.“
    „Sie wer­den.“
    „Und du wirst auf sie war­ten.“
    „Ja“, sagt sie. Ich ver­ste­he nicht, wes­halb sie nicht im Wald ver­schwin­det, wenn sie kom­men, schließ­lich kann sie fast al­le igno­rie­ren. Statt des­sen be­ob­ach­tet sie, und un­se­re Meis­ter se­hen sie und wer­den ei­fer­süch­tig auf ih­re Frei­heit. Was sie ge­ben, kön­nen sie auch wie­der neh­men.
    El­fle­da we­delt wie­der mit dem Schwanz. Die schwar­ze Spit­ze be­rührt ih­re Pfer­de­schul­ter, ih­re Flan­ken. Der Wind weht ihr kur­z­es, fei­nes Haar vom Kopf weg und ver­leiht ihr so einen sil­ber­nen Hei­li­gen­schein. Ich schrei­te auf sie zu, und sie weicht nicht zu­rück. Aber ich bin schweiß­naß und staub­ver­krus­tet, und ich rie­che wie ein er­hitz­tes Pferd, nicht wie ein Mensch. Es ist mir pein­lich, mich ihr so zu nä­hern. Sie be­ob­ach­tet mich und war­tet furcht­los. Sie weiß, wenn nö­tig, könn­te sie mir ent­flie­hen. Sie ha­ben mich groß ge­macht – grö­ßer als im Le­ben, im wah­ren Le­ben –, aber sie ist ge­schwind, und ih­re Hu­fe sind scharf. Sie ha­ben mir auch nicht so­viel von mei­ner Mensch­lich­keit ge­nom­men, daß ich sie mit Ge­walt neh­men könn­te. Das wä­re wahr­lich ein bit­te­rer Sieg.
    „Frü­her hielt ich mich nicht für häß­lich …“ Mei­ne Stim­me klingt kläg­lich. Ich soll­te nicht so zu ihr spre­chen, als wä­re ich zu­frie­den, wür­de sie mich aus Mit­leid ak­zep­tie­ren.
    Sie run­zelt die Stirn, doch dann kommt sie auf mich zu. „Und wenn du es wärst, Achil­leus, du weißt, mir wä­re es gleich.“ Sie greift nach mir, ich kann die Wär­me ih­rer Hand am Ge­sicht spü­ren. Sie hat mich noch nie­mals be­rührt.
    Ich wei­che zu­rück und wen­de mich ab. „Du hältst mich im­mer noch nicht für at­trak­tiv.“
    „Das ist nicht fair.“
    Und nicht ein­mal jetzt se­he ich sie an, ob­wohl ich weiß, daß sie recht hat. „Du hast ih­re Re­geln ak­zep­tiert. Nichts bin­det uns an sie.“
    „Meinst du nicht?“
    „Was hält dich da­von ab, mich zu lie­ben?“
    „Wir lie­ben, oder aber wir lie­ben nicht.“
    „Wir las­sen es zu, daß sie uns be­herr­schen.“
    „Wir kön­nen sie nicht auf­hal­ten“, sagt sie, und wie­der hat sie recht. Zwi­schen der Zeit ih­res Kom­mens ge­be ich mich gern dem Glau­ben hin, wir könn­ten ih­nen Wi­der­stand leis­ten, wenn wir es ver­su­chen, und ich ge­be un­se­rem Ge­hor­sam, un­se­rer Schwä­che und un­se­rer Un­ter­wür­fig­keit die Schuld,

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