Kopernikus 8
Koffer.“
Sie machte einen Schmollmund und kreuzte die Arme. „Ich werde von meinen Kindern abgeholt. Ich habe ihnen gesagt, daß ich hier irgendwo zu finden bin.“
„Ihre Kinder schaffen es vielleicht nicht rechtzeitig.“
„Es sind zuverlässige Kinder.“
„Mrs. McKenzie, ich kann nicht so lange warten, bis Sie Vernunft annehmen.“ Ich nahm meinen Rucksack auf und fegte ein paar rote Ameisen hinunter, die auf den Riemen umherkrabbelten. „Sind Sie von McAllisters Haus bis hierher zu Fuß gekommen?“ Ich hievte den Rucksack auf eine Schulter und schwang ihn dann auf die andere.
„Ja.“
Das Haus des alten McAllister lag gute fünf Kilometer entfernt. Klar, daß sie erschöpft war und hier verschnaufen wollte.
„Vernunft annehmen. Ihr Bishops hattet es immer mit der Vernunft.“ Ihre Augen verengten sich. In ihrem Gesicht standen viele Erinnerungen.
„Darum möchte ich ja, daß Sie jetzt mitkommen.“
„Deine Oma hat andauernd von dir gesprochen.“ Sie warf einen Blick zum Himmel. „Du warst doch da oben, stimmt’s?“
„Ja, das stimmt.“
„Und du gehst wieder zurück. Du warst hier unten nur auf Urlaub.“
Ich schaute die jetzt verlassene Straße hinunter.
„Es sind also deine Leute da oben.“
„Es scheinen gerade die Falschen die Hand am Hebel zu haben.“
„Dieselben wie immer.“ Sie zog die Nase hoch.
„Mrs. McKenzie, da kommt der Bus.“ Das Turbogeräusch ging in ein hohes Sirren über, als der Bus unterhalb der Biegung von der asphaltierten Straße abbog. „Es ist der letzte.“
„Geh du nur.“ Sie setzte sich mit ihrem vollen Gewicht zurück auf ihren Koffer. Ich streckte die Hand aus, um ihren Arm zu ergreifen, und ihr Gesicht nahm einen anderen Ausdruck an. „Rühr mich nicht an, Junge.“
Mir wurde klar, daß weder Überredungskunst noch Gewalt sie um diese letzte Straßenbiegung bringen würde. Bis hierher und nicht weiter war sie gelaufen; den Rest des Weges würde die Welt sich schon zu ihr bemühen müssen.
Der Busfahrer dort vorne war hier, an seinem letzten Haltepunkt, wahrscheinlich schon spät dran. Er würde nervös und mehr als ein bißchen verängstigt sein. Die von draußen würden pünktlich anfangen, das wußte er nur zu gut.
Ich rannte los. Unter meinen Füßen gab der Sand nach. Ich merkte, daß mich das Traben und Laufen bis hierher schon mehr angestrengt hatte, als mir bewußt gewesen war. Ich quälte mich durch die tiefen Radspuren. Der ganze verdammte Planet zerrte an meinen Füßen und hielt mich unten fest. Etwa zweihundert Meter weit war ich schon um die Biegung gekommen und fast in Sichtweite des Busses, als ich den Motor aufheulen hörte. Ich lief schneller und spürte den Geschmack von Schweiß im Mund. Der Fahrer schaltete den Motor hoch, er hatte es eilig. Er mußte auf mich zukommen, wenn er für die Rückfahrt nach Mobile auf die Route 80 einbog. Vielleicht konnte ich es rechtzeitig zur Hauptstraße schaffen, so daß er mich sehen und anhalten würde. Mir war klar, daß jetzt alles davon abhing, wie schnell ich vorwärts kam, also zog ich den Kopf ein und rannte.
Rannte.
Aber dort unten saß immer noch die alte Frau. Um zu ihr zu kommen, würde der Fahrer den Bus den Sandweg mit den tiefen Radspuren hinuntermanövrieren müssen und Gefahr laufen steckenzubleiben. Alles für die alte Frau mit den dankbaren Kindern. Sie schien nicht zu verstehen, daß es am Himmel jetzt undankbare Kinder gab. Sie schien überhaupt nicht viel von allem zu verstehen, was da vor sich ging. Und auf einmal war ich mir gar nicht mehr so sicher, daß das bei mir anders war.
Robert Silverberg
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Als Helmut Schweid beschloß, im Urlaub nach Sempoanga zu gehen, da kannte er die Risiken selbstverständlich, ging jedoch davon aus, daß sie für ihn
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