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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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sagen, sondern gab mir nur eine Adresse im Norden der Stadt. Mal sehen, vielleicht gehe ich hin, wenn ich nichts Besseres zu tun habe.
     
    Habe kaum mehr Geld übrig. Es sieht deprimierend aus. Ohne wenigstens einen Illu-Trip pro Tag bin ich zu keiner gehaltsträchtigen Anstrengung mehr imstande, aber ohne geregelten Job kann ich die Trips nicht bezahlen. Ein Teufelskreis! Werde mal bei dem Sektierer vorbeischauen. Vielleicht hat der was Preisgünstigeres anzubieten.
    War bei der Adresse, bei einem Typ, der sich als Asmodi vorstellte. Seltsamer Knabe, wohnt ganz für sich in einem düsteren, aber stinkvornehmen Apartement – derart weitläufig mit dunklen Flurnischen an jeder Ecke, daß man’s nicht glauben kann, wenn man wieder draußen steht vor der winzigen, schäbigen Baracke.
    Erzählte mir über sein „Angebot“ – behauptete, er könne mich an einen Tag meiner Wahl in die Vergangenheit versetzen, allerdings ohne Rückfahrkarte. Wohin ich will, ins Mittelalter oder ins alte Rom oder Paris um die Jahrhundertwende, und alles nur für eine kleine Unterschrift von mir. Ein Spinner! Ich bin natürlich sofort gegangen. Das Geld für die U-Bahn hin und zurück hätte ich besser anlegen können!
     
    Dezember
     
    War heute gezwungen, auf den Illu-Trip zu verzichten. Fühle mich richtig elend. Warum bin ich zu feige, Schluß zu machen? War’ so einfach!
    Dachte nach über Asmodi, bloß um mich abzulenken. Zurück in die Vergangenheit – ha! Ich müßte nicht erst groß Geschichtsbücher wälzen, um meinen Zeitpunkt zu finden. Ich müßte bloß dieses Tagebuch durchblättern. Ungefähr dort, wo zum ersten Mal der Name Helen auftaucht – dahin würde ich zurückgehen.
    Aber es ist sinnlos, sich solche Dinge auszumalen. Nur grausam.
     
    Der Floh, den Asmodi mir ins Ohr gesetzt hat, quält mich. Muß an meinen Entzugserscheinungen von den Illu-Trips liegen – manchmal ertappe ich mich dabei, daß ich richtiggehend Pläne schmiede für meine „Zeitreise“ zurück zu Helen, obwohl ich genau weiß, daß alles nur Hirngespinste sind. Vielleicht ist es eine gute Therapie für mich, wenn ich den ganzen Unsinn einfach mal niederschreibe.
    Also: Was gäbe es zu bedenken? Das Problem bestünde darin, daß ich dort, wo ich hingehen möchte, schon einmal lebte. Ich müßte deshalb vorsichtig sein, meinen Namen und mein Äußeres verändern, um nichts durcheinanderzubringen – und mich natürlich fernhalten von meinem Vergangenheits-Ich. Was besonders schwierig wäre, da ich ja mit Helen Zusammensein wollte.
    Helen – wie würde sie reagieren? Sie hat mich geliebt, damals – warum sollte sie also nicht auch mein jetziges Ich lieben? Mehr noch: Sie müßte mein jetziges Ich dem damaligen sogar vorziehen. Schließlich ging ich ja gerade zurück, um alles besser zu machen als damals. Ja, ich glaube, Helen würde mitspielen. Im Grunde müßte sie sich mir ganz übergangslos zuwenden können. Aber mein Vergangenheits-Ich? Das wäre sicher nicht dazu bereit, Helen mit seinem Zukunfts-Ich zu teilen. Folglich bleiben nur zwei Wege: meine Existenz vor jedermann außer vor Helen geheimzuhalten – oder mein Vergangenheits-Ich zu beseitigen und seinen Platz einzunehmen.
    Was wäre das – Mord oder Selbstmord?
     
    Bin einen Schritt weiter! Beseitigen dürfte ich mein Vergangenheits-Ich auf gar keinen Fall, denn damit würde ich auch mein jetziges Ich auslöschen. Wenn mich im März jemand umbringt, kann ich logischerweise auch nicht im Dezember in irgendeine Zeitmaschine steigen, oder? Also bleibt nur der Weg, daß Helen mein Vergangenheits-Ich mit meinem Zukunfts-Ich betrügt. Was für eine Konstellation! Der Witz dabei ist, daß der Betrug hervorragend funktionieren würde – mein Vergangenheits-Ich könnte uns nie erwischen, weil ich ja mein Verhalten von damals genau kenne.
    (Mir fällt gerade ein, daß Asmodi sich totlachen würde, wenn er sehen könnte, was er bei mir angerichtet hat mit seinen Spinnereien!)
     
    Die Zeitreiseidee beschäftigt mich immer noch. Angenommen, alles würde klappen, ich würde – unbemerkt von meinem Vergangenheits-Ich – mit Helen dort im siebten Himmel leben, dann würde doch ihre Verbindung mit dem anderen von damals nicht zustande kommen. Und dann gäbe es folglich auch keine tödliche Autofahrt mit ihm, Helen würde somit heute noch leben – die Vergangenheit würde total anders verlaufen. Aber was wäre dann mit der Zukunft, so wie sie jetzt aussieht?
    Es ist ein Paradoxon ohne Ausweg,

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