Kopernikus 9
aus und bestellte Eier mit Schinken, dazu ein Kännchen Kaffee. Während er auf sein Frühstück wartete, saß er ganz ruhig da und wischte sich in regelmäßigen Abständen mit einem schmutzigen, rotkarierten Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Es war noch früh am Tag, aber schon jetzt waren die ersten Anzeichen jenes gesegneten Louisiana-Klimas zu verspüren, das einen ganz automatisch einmal in der Stunde nachsehen läßt, ob die Uhrkette schon Grünspan angesetzt hat.
Ich zündete mir eine Zigarette an und wartete geduldig, bis der dicke Mann seine Spiegeleier vertilgt hatte. Geduld ist das erste, was man in meinem Geschäft lernt. Außerdem würde Johnson in der nächsten Zeit noch Ärger genug haben – sollte er ruhig noch einmal in aller Ruhe frühstücken. Wir sind ja schließlich keine Unmenschen, was auch immer Sie hier und da über die Firma gehört haben mögen.
Schließlich wischte sich der dicke Mann umständlich das verkleckerte Eigelb von den Lippen, spülte mit einem kräftigen Schluck Kaffee nach und zündete schließlich seine erloschene Zigarre wieder an. Ich ließ ihn einen genüßlichen Zug machen, aber nur einen. Dann nickte ich Donovan zu, der an einem Tisch nahe der Tür herumlungerte und sich alle Mühe gab, unauffällig aber auch nicht zu unauffällig zu wirken. Wir standen gleichzeitig auf und gingen rasch zur Theke. Der dicke Mann konnte uns in dem schmuddligen Spiegel über den Senf gläsern und Ketchup-Flaschen kommen sehen, aber es schien ihn nicht weiter zu beunruhigen.
Erst als ich ihm die Hand auf die Schulter legte, drehte er sich um. Ertappte Verbrecher haben eine ganz spezielle Art, sich zu bewegen, wenn ihnen klar wird, daß die Show nun ein für allemal vorbei ist; selbst die wirklich harten Jungs kommen dagegen nicht an. Nur daß davon nicht das geringste zu spüren war. Der dicke Mann drehte sich einfach um, ganz wie ein biederer Bürger, der von zwei Kerlen, die er im Leben noch nicht gesehen hat, beim Frühstück gestört wird. Für einen Moment fragte ich mich, ob er tatsächlich das kriminelle Genie war, für das wir ihn hielten.
„He, Mister“, sagte der dicke Mann. „Tun Sie gefälligst Ihre Hand da weg, ja? Was soll denn das?“
Für den Bruchteil einer Sekunde hielt ich ihm meinen Dienstausweis vors Gesicht – gerade lang genug, um ihn zu überzeugen, daß es tatsächlich ein Dienstausweis war, ohne ihm eine Chance zu geben, auch zu lesen, was darauf stand. In unserer Ausbildung legen sie viel Wert auf derartige Finessen. „Sie haben sich gerade entschlossen, einen kleinen Spaziergang mit uns zu machen, Johnson.“
Er sah irritiert von mir zu Donovan, der sich haarscharf außer Reichweite auf seiner anderen Seite postiert hatte. Donovan schenkte ihm jenes eisige Bullenlächeln, das nur ehemalige Streifenpolizisten aus der Bronx wirklich perfekt beherrschen. Er schob ganz beiläufig den Saum seiner Lederjacke ein paar Zentimeter zurück, bis man den Griff der 38er Special in seinem Gürtel sehen konnte.
Der dicke Mann war plötzlich sehr bleich. „Das ist doch sicher eine Verwechslung, nicht wahr? Wer sind Sie denn überhaupt, FBI oder so was?“
„Oder so was“, sagte ich. „Es wäre viel einfacher für uns alle, wenn Sie jetzt ganz still aufstehen und mit uns rausgehen würden, Johnson. Uncle Sam möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.“
„Hören Sie“, sagte der dicke Mann sehr leise, „wenn es um meine Einkommenssteuererklärung geht … Ich kann … äh …“
„Ihre Einkommenssteuererklärung interessiert uns nur am Rande“, sagte ich ehrlich. „Nun kommen Sie schon endlich. Wir haben ja schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.“
„Ja, aber … meine Geschäftstermine … ich kann doch nicht einfach …“ Der dicke Mann zog sein schmutziges Bauerntaschentuch hervor und wischte verzweifelt auf seiner Stirn herum.
„Aber sicher können Sie“, sagte Donovan. „Ich hab’ vorhin telefoniert. Sie sind überraschend krank geworden und können für ein paar Tage nicht arbeiten. Wie das Leben halt so spielt.“ Er grinste dünn. „Als Ihr Hausarzt habe ich Ihnen absolute Bettruhe verordnet. Mit diesen fiebrigen Erkältungen ist wirklich nicht zu spaßen, wissen Sie.“
„Ach so“, sagte der dicke Mann tonlos. „Ihr denkt auch an alles.“
Ich nickte. „Wir versuchen es zumindest. Manchmal haben wir Glück.“
Ich deutete zur Tür, und Johnson stand auf und schlurfte mit den seltsam knochenlosen Bewegungen eines Mannes, für
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