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Kopf frei

Kopf frei

Titel: Kopf frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Lauterbach
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ob wir das Gehirn benutzen oder das Gehirn uns.« Hugo möchte lieber Herr in seinem Kopf sein. Lotti: »Deshalb machst du dieses Training. Da Gesprochenes auffälliger ist als nur Gedachtes, werden wir es als Erstes einer kontakt- und gegenwartsfördernden Schulung unterwerfen. Die Kür ist, später auch das still Gedachte in den Freiwilligkeitsbereich, eben einen bewusst gewählten, zu ziehen. So lernst du, dich freizureden!« Das klingt verlockend: sich freireden! Zunächst geht es einfach darum, Gesprächszwangsverläufe zu beobachten.
    Lotti stellt die Aufgabe: »Fang damit an, dass du dir vergegenwärtigst, wie sich Gespräche in der Regel fast von selbst und meist ohne Eigenbestimmung bilden. Es ist sehr aufschlussreich, ein oder zwei Wochen lang wahrzunehmen und zu fühlen, wie es um Kontakt, wirklichen Austausch, Gegenwart, Nähe und Lebendigkeit in ›normalen‹ Alltagsgesprächen bestellt ist.«
    Damit ist Hugo für die nächste Woche beschäftigt.

Gesprächszwangsverläufe beobachten
    Nicht nur Hugo, sondern auch wir beschäftigen uns mit seiner Aufgabe. Schauen wir von der Metaebene aus auf folgendes Gespräch:
    Egon und Marion – Klappe, die erste
    EGON:
Mein Name ist »Künstler«.
MARION
( fragt, obwohl sie die Antwort nicht wirklich interessiert): Heißen Sie nur so oder sind Sie auch ein Künstler?
EGON:
Ich habe ein paar Kohlezeichnungen gemacht, nichts Erhebliches.
MARION
(driftet assoziierend in ihre Vergangenheit) : Ich erinnere mich an die Zeit, als Oma noch mit Kohlen geheizt hat.
EGON
(antwortet noch mal auf die ursprüngliche Frage) : Früher sollte ich ein Instrument lernen – Blockflöte. Es war schrecklich. Ich habe die Flöte dann heimlich weggeworfen und gesagt, sie sei mir verloren gegangen. Das war zum Glück das Ende der Tortur.
MARION
(etwas genervt und spitz, weil Egons Ausführung sie langweilt) : Ich liebe Musik. Gerade Flötenklänge – Piccoloflöte, herrlich! Habe mir jetzt eine neue Anlage gekauft. Da hat man doch ’ne ganz andere Soundqualität.
EGON
(fühlt sich übergangen und macht Marions Begeisterung für Technik runter) : Für Technik habe ich gar keinen Sinn. Die wird eh immer komplizierter und man muss zehn Stunden Gebrauchsanweisung lesen, bis man den modernsten Wecker bedienen kann.
MARION
(fühlt sich unwohl und kontert) : Ich schlafe immer aus. Habe mir mein Leben so eingerichtet.
EGON
(ungehalten) : Dass Sie immer ausschlafen, hat doch nichts mit meinem Einwand der Technik gegenüber zu tun.
MARION
(greift Egon direkt an) : Jetzt werden Sie nicht patzig. Ich werde doch wohl noch sagen können, was ich will, und ausschlafen können. Sie sind wohl neidisch.
EGON
(fühlt sich missverstanden, will mit gutem Abgang das Gespräch beenden, weil er aber verletzt ist, baut er noch zu schlechter Letzt eine Spitze ein.) : Ja, dann schlafen Sie weiter gut; ich habe jetzt noch einen Termin und muss mich verabschieden.
MARION
(ihrerseits verletzt) : Die Terminhetzerei habe ich in meinem Leben schon lange abgeschafft.
EGON
(bissig): Wichtige Menschen haben halt noch Termine. Guten Tag!
    Wir sehen, dass dieses Gespräch zunächst harmlos anfängt, aber schnell bar jeder echten Kommunikation ist. Das Ende vom Lied: Beide gehen mit Unbehagen aus dem Gespräch. Es hat kein befriedigender Austausch stattgefunden. Die beiden sind an unbewussten Automatismen gescheitert.
    In diesem Beispiel haben sich die Gesprächspartner ungut ineinander verhakelt. Fantasieren wir eine erfolgreiche Variante des Gesprächs von Egon und Marion:
    Egon und Marion – Klappe, die zweite
    EGON:
Mein Name ist »Künstler«.
(Marion spürt zunächst einmal, was sie an Herrn Künstler wirklich interessiert, wodurch eine echte Austauschmöglichkeit vorbereitet ist.)
MARION:
Mir fällt auf, dass Sie ein sehr schönes und ungewöhnliches Hemd anhaben.
EGON
(erzählt nicht die Geschichte vom Hemd, sondern spürt, was Marions Worte in ihm auslösen) : Es freut mich, dass es Ihnen gefällt.
MARION
(spürt weiteres Interesse an dem Hemd) : Wo haben Sie es erstanden?
EGON:
Ich habe es mir in Indien schneidern lassen.
MARION:
Nach Ihren eigenen Vorgaben?
EGON:
Ja.
MARION
(ist wirklich beeindruckt, weil sie das Hemd außergewöhnlich findet) : Sie haben wirklich einen guten Geschmack. Sind Sie Modedesigner?
EGON
(spürt durch den Kontakt mit sich und daher mit ihr, was ihre Worte bewirken) : Sie machen mich ein wenig verlegen. Ich danke Ihnen für die Wertschätzung meines Geschmacks. Ich bin Innenarchitekt.

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