Kopf hoch, Freddie
ein. Da war die kleine Brücke am Fuß der Hügel, die einen trügerischen Gebirgsfluß überspannte, der heute ganz ruhig dahinfloß. Sie dachte an das Sommergewitter, an die Überschwemmung, die ihre Rückkehr verhindert hatte, an Stephens Weigerung, sie bei sich auf der Farm zu behalten, an die Nacht im Hotel, in das er sie verfrachtet hatte.
Da war der Hügel, wo der Motor von Stephens Wagen bei ihrem ersten Besuch plötzlich ausgesetzt hatte. Angela war den ständigen Gangwechsel nicht gewöhnt und dem Ufer gefährlich nahe gekommen. Allein Stephens rasches Reaktionsvermögen hatte sie vor einer Katastrophe bewahrt. Und da, eine Meile weiter, lag die Stelle, wo Stephen den Wagen zum Stehen gebracht, sie in die Arme genommen und von der Zukunft gesprochen hatte, nachdem endlich alle Schwierigkeiten überwunden und ihre Verlobung offiziell bekanntgegeben worden war. Sie lächelte, als sie daran dachte, daß genau in diesem Moment ein Lastwagen um die Kurve gekommen war und der unverschämte Fahrer sie dreist angestarrt hatte. Alle paar Meilen wurden Erinnerungen an jene Tage voll Angst und Freude in ihr wach. Und heute war sie sich dieser Erinnerungen schmerzhaft bewußt.
Schweigend saß Angela da, und eine ganze Weile überließ Pat sie ihren Gedanken. Dann sagte sie leise: »Du wolltest heute eigentlich gar nicht mitkommen, Angela, habe ich recht?«
»Ja, wenn Stephen mitgekommen wäre, hätte es schön werden können. Er konnte aber nicht. Dieser Verkauf ist sehr wichtig für ihn.«
»Davon wußte ich gar nichts.« Pat warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Es war so, wie sie vermutet hatte: Sie hatten übertrieben und weder Stephen noch Angela etwas Gutes getan. Sie fuhr fort: »Wahrscheinlich hast du es satt, die Vierte im Quartett zu spielen, nur um meiner Mutter einen Gefallen zu tun?«
»Um deiner Mutter einen Gefallen zu tun?«
»Natürlich. Ich selbst habe es auch satt. Ich bin einem Vergnügen ja nicht abgeneigt, aber hinter Maurice immer den Wachhund zu spielen reicht mir langsam. Verstehst du denn nicht? Diesmal hat Mutter es richtig mit der Angst zu tun bekommen — mit der Angst, daß es ihm ernst sein könnte.«
»Unsinn. Als ob die beiden sich nicht bloß auf angenehme Weise die Zeit vertrieben!«
»Das weiß ich, aber du weißt ja, daß meine Mutter besessen ist. Am liebsten wäre es ihr, wenn Maurice das Gelübde der Ehelosigkeit ablegte. Verrückt, aber schließlich ist bei uns alles abnorm. Das ist der Grund, warum sie mich immer zum Mitfahren drängt. Früher hat es für die kleine Pat im Haus immer reichlich Arbeit gegeben, aber auf einmal schafft Mutter alles allein. Nicht mal ihre Kopfschmerzen bekommt sie. Aber ich trete ab sofort in den Streik. Maurice ist ja kein Kind mehr. Soll er die Sache doch selbst mit ihr ausfechten!«
Bedächtig sagte Angela: »Es ist wirklich seltsam, in letzter Zeit hatte ich öfter den Eindruck, als fühle Stephen sich ein wenig beiseite geschoben. Ich weiß, er hat seine Arbeit, und die kommt auf jeden Fall an erster Stelle — aber ich wäre manchmal gern dabei. Ich möchte mehr von der Farmarbeit verstehen. Wir haben immer schon geplant, alles gemeinsam zu tun, aber jetzt...«
»Na ja, viel Gelegenheit habt ihr bis jetzt nicht gehabt. Planen wir doch einen Aufstand! Wir haben beide die Nase voll. Inzwischen aber wollen wir den Tag genießen.«
Das gelang Angela nicht ganz. Trotz des herrlichen Sonnenscheins, der allmählich das Eis in der Straßenmitte auftaute und das Gras am Straßenrand vom Reif befreite, trotz des leise dahinrollenden Wagens und der verständnisvollen Gesellschaft Pats war sie unglücklich. Doch sie wollte ihr Herz nicht mehr auf der Zunge tragen und riß sich zusammen, als Freddie sich umdrehte und sagte: »Wir kommen jetzt auf die Küstenstraße, Angela, ist das nicht aufregend? Erinnerst du dich, wie wir hier das erstemal mit dem Bus durchkamen? Wir waren nach der langen Nachtfahrt ganz erschöpft, und du warst ziemlich schlechter Laune.«
»Ziemlich? Ich war richtig ekelhaft. Ach, mir kommt es vor, als wäre das schon sehr lange her.«
Sie wollte Freddie nicht den Tag in Erinnerung rufen, als sie in Jonathans Wagen von Tainui Abschied nahm, als sie voller Pläne bezüglich ihrer Schwesternkarriere steckte und doch ein wenig traurig war, weil die Sommerferien zu Ende waren. Sie ahnte, daß Freddie das alles nur zu gut wußte, daß sie an Jonathans Fürsorge und Freundschaft dachte, an seine Liebe — kurz, an eine
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