Kopfgeldjagd
dass Necko jemanden mit ziemlich überzeugenden Argumenten angeheuert hatte, der ihren manisch-depressiven Schizo-Freund, das Trust-Fund-Baby, dazu überredete, die Beziehung zu meiner Schwester mit sofortiger Wirkung zu beenden. Das war wirklich lieb von Necko. Mir wurde damals klar, dass Necko offensichtlich weitreichende Verbindungen hatte, was mich tief beeindruckte. Tragende Säulen der Gesellschaft konnten durchaus kontroverse Verbindungen unterhalten, die für sie bestimmte »Arbeiten« erledigten. »Interessant«, dachte ich und speicherte diese Information in einem der vorderen Fächer meines Gehirns ab, um später im Leben bei bestimmten Problemen darauf zurückzugreifen.
Der Krieg zwischen meinen Eltern hatte inzwischen wüste Formen angenommen. Irgendjemand versuchte, das gemeinsame Schweizer Bankkonto abzuräumen, während einige der wertvolleren Gemälde und die Juwelen meiner Mutter auf wundersame Weise verschwanden. Der Tiefpunkt war erreicht, als meine Mutter versuchte, das Unternehmen meines Vaters zu zerstören, indem sie den Grund und Boden verkaufte, auf dem es stand, während andererseits versucht wurde, ihre Krankenversicherung zu kündigen und einen Einbruch in ihre Wohnung organisiert wurde, um einen weniger bekannten italienischen Meister zu stehlen. Damals wusste ich noch nicht, dass ich dasselbe Muster 20 Jahre später wiederholen würde. Nach 33 aufreibenden Jahren wurden meine Eltern endlich geschieden.
Mit der Scheidung verbesserte sich ihrer beider Privatleben dramatisch. Die Beziehung zu ihren Kindern jedoch nicht. Mein Vater verweigerte jeden Kontakt zu mir, da ich mich auf die Seite des »Feindes« geschlagen hatte. Dabei hatte ich lediglich versucht, mit beiden Eltern in Kontakt zu bleiben, was angesichts der Selbstgerechtigkeit meines Vaters und der Rachsucht meiner Mutter natürlich gründlich misslang. Barbara und Hajo wollten fast zehn Jahre lang überhaupt nichts mit mir und Uschi zu tun haben, weil Jochen sie sonst emotional und finanziell zermalmen würde. Dafür schleimten sie sich bei Sophie, meiner Stiefgroßmutter mütterlicherseits ein, die Uschi über drei Jahrzehnte bei jeder sich bietenden Gelegenheit eins reingewürgt hatte. Offensichtlich machten sie damit strategisch den richtigen Schritt. Während beide von Sophie mit einer saftigen Erbschaft bedacht wurden, wurde ich enterbt und bekam gar nichts – nicht einmal die geliebten Socken aus meiner Kindheit.
Meine Mutter zeigte ihre menschliche Seite, als Hajo und Barbara irgendwann erkannten, wie unwichtig sie eigentlich meinem Vater und der zukünftigen Frau Homm Nummer 2 waren. Als sie zu den mütterlichen Rockschößen zurückkehrten, empfing Uschi sie mit offenen Armen. Sie ist wirklich ein Mensch, und sie hat sich immer für uns interessiert. Sie vergisst nicht, ist aber sofort bereit, zu vergeben.
Barbara war zwei Jahre älter als ich. Sie hatte einen wachen Verstand und einen bösen Humor sowie die verblüffende Fähigkeit, Menschen und deren Charakter in Sekunden zu erfassen. (Meine Tochter besitzt übrigens die gleiche Fähigkeit.) Sie lernte nie – noch weniger als ich, wenn das überhaupt möglich ist –, bekam aber trotzdem immer gute Noten und machte ihren Uniabschluss. Wir hatten die beste Zeit miteinander und sie stellte mich ihren heißen älteren Freundinnen vor, die mir dabei halfen, meine Sexualität zu entdecken.
Wir wetterten gemeinsam über unsere gestörten Eltern und verstanden uns bestens. Ihre beste Imitation war die meines Vaters, wie er wie ein SS-Offizier im Stechschritt über das Firmengelände schreitet und gegenüber einer imaginären Menschenmenge den Arm zum Hitlergruß reckt und dabei über zu spät kommende Mitarbeiter Todesstrafen verhängt und sie mit schwerer Folter bedroht. Ich lachte so laut, dass mir die Tränen kamen, vor allem, da ich ihn, seit ich zwölf war, viele Sommer, in denen ich in seiner Firma gearbeitet hatte, beim mogentlichen Appel hatte beobachten können.
Barbara war eine große Abenteurerin, die mit ihrem wesentlich älteren Freund auf Kreta lebte, als sie gerade erst 15 Jahre alt war. Während des Bürgerkriegs in Nicaragua verbrachte sie ein halbes Jahr dort und unterstützte die sandinistischen Rebellen, und weitere drei Monate lebte sie mit den MR-13-Aufständischen (Movimiento Revolucionario 13 de Noviembre) in Guatemala. »No risk, no fun« war wirklich ihr Lebensmotto. Abgesehen davon, dass sie völlig egoistisch und selbstbezogen war, kann
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