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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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ich ihr nichts vorwerfen.
    Sie starb 2006 an einer schweren Lungenentzündung, ausgelöst durch multiple Sklerose. Ich weinte bei ihrer Beerdigung und vermisse meine große Schwester seitdem sehr. Sie hatte einen eisernen Lebenswillen. Sie war eine außergewöhnliche Rebellin und eine unangenehme Konformistin gewesen. Sie starb viel zu früh. Dass ich sie während ihrer Krankheit nicht öfter besucht habe, werde ich mein Leben lang bereuen.
    *
    Während meiner Kindheit verbrachte ich so viel Zeit wie möglich außerhalb des Glashauses mit der Bezeichnung Zuhause, indem ich angelte, wanderte und Sport trieb. Ich hatte in meiner Kindheit zwei enge Freunde (Klaus und Ulli), die verhinderten, dass ich meinen Glauben an die Menschheit völlig verlor. In der Schule langweilte ich mich zu Tode und meine Noten verkörperten Mittelmaß, wenn nicht sogar Dummheit. Ich dachte, streiten, huren und herumficken sei das, was Erwachsene ständig und am besten tun. Meine Exfrau war davon überzeugt, dass ich immer noch die Liebe und die Umarmungen suchte, die ich offensichtlich nicht bekommen hatte. Wenngleich uns unsere Eltern innerhalb ihrer Möglichkeiten und auf ihre Weise liebten – sie unterstützten uns finanziell und eröffneten uns ein breites Universum, indem sie großen Wert auf Bildung, Ausbildung, Reisen und Sprachen legten –, war das Problem, dass ihre Fähigkeit zu lieben aufgrund emotionaler Brüche, tragischer historischer Umstände und der Folgen des Strebens nach Reichtum, Status und gesellschaftlichem Ansehen beeinträchtigt war.
    Ein Schlüsselelement war diese bizarre Mischung aus großem Wohlstand und ebenso großem Engagement für Rebellion, wie sie sich im Gedankengut der damaligen extremen Linken ausdrückte, das sich meine Schwester zu eigen machte, die diese Ansichten vermutlich deswegen übernahm, weil sie von Haus aus eine Querdenkerin war. Bis zu einem gewissen Grad bewegte ich mich in der Mitte und saugte sowohl die Werte des reichen Bürgertums als auch der rebellischen Respektlosigkeit auf. Zwar muss man die Positionen der Menschen, die einen umgeben, nicht gutheißen oder übernehmen, dennoch sind wir zweifellos das Produkt unserer Zeit und unserer Umgebung. Meiner Ansicht nach wird der Selbstbestimmung bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit leicht zu viel Gewicht beigemessen. Oft ist man sich der Einflüsse, während man ihnen ausgesetzt ist, gar nicht bewusst, aber wo du bist und wo du herkommst, das hat natürlich Auswirkungen auf deine Persönlichkeit, ob du es glaubst oder nicht. Über Individualität und freie Entscheidung herrscht einiger Irrglaube; möglicherweise sind die eigenen Entscheidungen bis zu einem gewissen Grad vorbestimmt und gewiss ist das Ausmaß an Wahlmöglichkeiten begrenzt.
    Mit 14 Jahren war ich völlig orientierungslos und verloren. Ich war das Produkt von 100 Jahren Einsamkeit, in denen jede Generation auf hirnlose Weise die Sitten und Gebräuche sowie die Fehler der vorhergehenden Generation wiederholte und verschärfte. Außerdem hatte ich zu viele Pickel, fettiges schulterlanges Haar und war nicht einmal in der Lage, ein Rendezvous auszumachen. Ich war linkisch im Basketball, da ich viel zu schnell gewachsen war. Ich hatte kein Leitmotiv und kein Ziel vor Augen. Ich steckte tief in ­einem Sumpf – ein Phönix, der unter Asche begraben war und wenig bis gar ­keine Aussicht darauf hatte, jemals das Licht zu erblicken. Ich dachte, wenn ich wirklich das Produkt meiner Eltern und meiner Umgebung war, dann helfe mir Gott und denen, die mich umgaben. Ich war verdammt. Gott sei Dank begann ungefähr zu dieser Zeit der Einfluss eines Übermenschen, meines Großonkels, auf mich zu wirken, meinen Verstand zu fokussieren und meine Zukunft zu formen.
    Dr. Josef Neckermann (1912–1992) war der allmächtige Patriarch der Neckermann-Dynastie. Zu seinem Imperium gehörten das zweitgrößte Versandgeschäft Deutschlands sowie eine große Versicherung und Einzelhandels- sowie Tourismusunternehmen. Weltweit arbeiteten rund 30.000 Menschen für Necko, die meisten in Europa. Zu ihrer Blütezeit war die Neckermann AG eines der 30 größten Unternehmen an der Frankfurter Börse. Necko gewann sechs olympische Medaillen im Dressurreiten, darunter zwei Goldmedaillen im Mannschaftswettbewerb. Erfolgreich war er auch als fleißiger Spendensammler für die Stiftung Deutsche Sporthilfe, deren Vorsitzender er von ihrer Gründung 1967 an bis 1988 war.
    Er war ein unglaublich

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