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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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Vermächtnis interessiert. Jedes Eingeständnis geheimer Absprachen oder irgendeiner Schuld wäre einer Selbstzerstörung seiner Reputation gleichgekommen. Ich machte mir weitaus weniger Gedanken um meine Reputation, sondern war viel mehr an der Höhe meines Kontostands interessiert.
    Necko profitierte gewaltig von Hitlers antijüdischer Enteignungspolitik, der sogenannten Arisierung. Mit der Joel-Akquisition wurde er mit einem Schlag von einem wohlhabenden regionalen Unternehmer zu einem internationalen Textil- und Einzelhandelsmagnaten. Angesichts seines ungeheuren Ehrgeizes und seines zielgerichteten Erfolgsstrebens zögerte er nicht, in Joels Berliner Villa einzuziehen. Außerdem wurden ihm Deutschlands Diamantenreserven anvertraut, um gegen Ende des Krieges strategische Waffensysteme zu kaufen. Nach dem Krieg starb er fast in einem amerikanischen Internierungslager an Misshandlung und medizinischer Vernachlässigung. Nach seiner Entlassung baute er laut seiner Autobiografie sein Industrieimperium von einer bescheidenen und unterfinanzierten Basis aus mit aller Macht neu auf und wurde Mitte der Sechzigerjahre zu einem lebenden Beispiel des deutschen Wirtschaftswunders. Das Wirtschaftswunder selbst war von einer intensiven Industrierevolution getrieben, die das Ergebnis der Einführung preußischer Militärdisziplin in die Wirtschaft im 19. Jahrhundert war.
    Mit zwölf Jahren beobachtete ich die Aktienkursanzeigen in den Schaufenstern der Banken. Die Aktien der Neckermann AG standen deutlich sichtbar neben globalen Standardwerten wie Mercedes-Benz, BASF und Bayer. Ich beobachtete die täglichen Kursschwankungen und war verblüfft, wie sehr sich Neckos Vermögen in nur wenigen Tagen verändern konnte. Ich fragte meinen Vater über Dividenden aus. Für mich war klar, dass Necko lediglich einige Aktienzertifikate verkaufen oder einige Dividenden einsammeln musste, wenn er ein Vermögen für ein Abendessen, ein motorisiertes Gokart für seine Kinder oder ein neues Pferd ausgeben wollte. Je höher der Aktienkurs, desto mehr Gewinn würde er mit einem Aktienverkauf erzielen. Das waren für mich sehr interessante Dinge.
    Mitte der Siebzigerjahre ließ sein persönliches Wirtschaftswunder deutlich nach, als er es nicht ganz problemlos durch die erste Ölkrise, die Infla­tionsphase und die zunehmend enge Kreditsituation schaffte. Er war stets ein Sklave seiner Schulden und der Schuldenfinanzierung gewesen, und am Ende stand er am Rande der Insolvenz und musste verkaufen, weil er viel mehr Schulden als Eigenkapital hatte. Zwar wusste ich als Jugendlicher fast nichts über Finanzen, aber ich beschloss, mich von Bankkrediten fernzuhalten. Bevor sein Imperium im Rahmen eines Notverkaufs an einen verhassten Konkurrenten ging, hörte ich Necko mehrmals über seine Abhängigkeit von diesen »erbärmlichen Bankiers« schimpfen. Ich schloss daraus, dass der Erfolg irgendeines meiner zukünftigen Geschäfte auf keinen Fall von Bankkrediten abhängig sein durfte.
    Meine zukünftigen Aktivitäten würden bargeldbasiert sein. Und dieser Punkt ist eine zentrale Facette dieser und damit meiner Geschichte. Necko wollte der Beste sein, das Wunder innerhalb des Wirtschaftswunders, und er lechzte nach gesellschaftlichem Status, aber anders als spätere Generationen (einschließlich meiner Person) handelte er nicht nach den Anforderungen des rohen, hartgesottenen, reinen Finanzkapitalismus. Selbstverständlich wollte er reich sein und seinen Reichtum genießen, aber das Bedürfnis, eine herausragende gesellschaftliche Stellung zu genießen, war ein wesentlich größerer Motor als der Wunsch, sein Bankkonto zu füllen.
    Zu dem Zeitpunkt begann sich innerhalb der Gesellschaft der Fokus des Ehrgeizes meines Erachtens von Status und Errungenschaften wegzubewegen und sich stärker auf Reichtum als Selbstzweck zu verlagern. Die Vorstellung, dass 30.000 Menschen für mich arbeiteten, fand ich bizarr und absolut unnötig. Es war wesentlich sinnvoller, ein großes Vermögen mit dem absoluten Minimum an Mitarbeitern aufzubauen. In meinem rein analytischen Gehirn begann sich anstatt des Konzepts des erfolgreichen und verantwortungsbewussten Industriemagnaten das Konzept des milliardenschweren Finanziers zu entwickeln.
    Ich bewunderte Necko und war von den Kontroversen und den vielfältigen Facetten seines Lebens fasziniert. Das alles schien sehr aufregend. Ich war von seiner Disziplin, seiner endlosen Energie, seiner Beharrlichkeit, seiner allgemeinen

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