Kopfgeldjagd
wurde im Oktober 1998 an die Frankfurter Börse gebracht und verzeichnete in den folgenden sieben Quartalen einen Wertzuwachs von 700 Prozent.
Die Beziehung war so harmonisch und für beide Seiten so vorteilhaft, dass wir beschlossen, zu fusionieren und auf diese Weise eine vollständig integrierte, internationale Kapitalmarktgruppe mit einem Marktwert von mehr als zwei Milliarden Euro zu schaffen. In Wirklichkeit handelte es sich dabei um eine freundliche Übernahme seitens Gold-Zack, das einen wesentlich höheren Marktwert hatte als VMR. Ich war zum Kronprinzen auserkoren, der DWs omnipräsentes Imperium übernehmen sollte, wenn er in einigen Jahren in den Ruhestand ging. Ich konnte keine Nachteile an diesem Geschäft erkennen. Ich würde noch mehr als vorher verdienen – gut zehn Millionen Euro pro Jahr – und am Ende eines der größten deutschen und europäischen Unternehmen leiten. Bis ich zum CEO ernannt würde, würde ich von DW lernen und in sein ausgedehntes, mächtiges Netzwerk eingeführt werden. Meine Aktien würden aufgewertet werden und heiß begehrt sein, falls ich irgendwann beschließen sollte, zu verkaufen. Ich würde in nicht allzu ferner Zeit, wahrscheinlich in zehn Jahren, Milliardär werden. Wir konnten nichts Negatives daran entdecken, und so waren Kevin und ich uns einig: Das machen wir.
Ich wusste zudem, dass Walther in Finanzdingen einer der gerissensten Köpfe war, die Deutschland jemals hervorgebracht hat. Mir war vollkommen klar, dass er jeden bekannten und viele bis dahin noch unbekannte Bilanztricks beherrschte. Kevin und ich wussten, dass wir uns seine internen Konten würden ansehen müssen, bevor wir unsere Zustimmung zur »Fusion« gaben. Wir waren wettergegerbte forensische Wirtschaftsprüfer und knallharte Ermittler. Wir würden Gold-Zack bis auf die Knochen bloßlegen und alle Leichen im Keller zutage fördern, bevor wir irgendetwas unterschrieben.
Um es kurz zu machen: Walther war beleidigt und schickte uns zum Teufel. Er sagte, die veröffentlichten Zahlen müssten genügen. Das Geschäft platzte, aber zu unserer großen Verblüffung zog Walther sein Übernahmeangebot nicht zurück. Der Mentor hatte sich gegen seinen eigenen Schüler und designierten Nachfolger gewendet. Papa Hai wollte sich Baby Hai zum Mittagessen einverleiben, während alle Goldfische zusahen. Nachdem wir selber relativ erfahren in feindlichen Taktiken waren, gelang es uns, seinen Anteil an VMR bei knapp über 40 Prozent zu halten und schafften es gerade so eben, die Kontrolle über unser eigenes Schicksal zu bewahren.
Er reagierte unverschämt auf unseren Mangel an Vertrauen in seine Bilanzen und ich war wütend, dass er nicht bereit war, die Hosen herunterzulassen, dennoch sprachen wir weiterhin miteinander, als ob nichts geschehen wäre. Jeder andere wäre ausgeflippt und hätte eine Armada an Anwälten, Detektiven, Investmentbankern und PR-Agenturen angeheuert. Normalerweise hätte es Klagen und Gegenklagen gegeben. Walther setzte seinen schleimigen PR-Clown auf mich an, um meinen Namen in Verruf zu bringen. Ich hatte dabei geholfen, das windige, wichtigtuerische Geschäft dieses Kugelfischs an die Frankfurter Börse zu bringen, und nun ließ er sich dafür bezahlen, meinen Ruf in den Medien kaputt zu machen. Aber ich ignorierte das. »Reines Getöse«, war meine Interpretation. Ich kam zu dem Schluss, dass Walther mir im Wesentlichen eine Lektion für die Zukunft erteilen wollte: Unterschätze niemals den großen, bösen Wolf.
Zwei Wochen später trafen wir uns und kamen beide zur selben Einschätzung. Die Dinge in den Medien wurden ein wenig hässlich. Die Presse ist wie ein Rudel Straßenhunde. Sobald sich etwas bewegt, fangen sie an zu kläffen. Morgen kläffen sie jemand anderen an. Wir schlossen daraus: Vergessen wir die Sache, finden wir eine Lösung und verdienen damit Geld.
Im Rückblick muss ich sagen, dass er mir eine echte Lehre erteilt hat. Während ich nur an meine Vorteile dachte, war er mir zu jedem Zeitpunkt einen Schritt voraus. War die Übernahme erfolgreich, würde er in den Ruhestand gehen können und einen der intelligentesten aufstrebenden europäischen Finanzinvestoren am Steuer seines Finanzkonglomerats haben. Lief die Übernahme schief, wusste er ganz genau, dass wir ihn mit einem massiven Aufschlag auf seinen Einstiegspreis herauskaufen würden. Nun wendete er die Greenmailing-Taktik an. Seine Szenarioanalyse und Erfahrung waren meiner einfach überlegen. Wir fanden
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