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KopfKissenKino - Hinterhaeltig Unerwartetes

KopfKissenKino - Hinterhaeltig Unerwartetes

Titel: KopfKissenKino - Hinterhaeltig Unerwartetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Scholz
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Ich kam am Bushäuschen vorbei. Im Schatten des kleinen Baus aus drei Wänden aus Gips, Holz und Grundsteinen behütet von einem Dach aus Schieferplatten saß eine Gestalt, die ich zuerst nur aus dem Augenwinkel wahrnahm. Ich blieb stehen und wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Starrte in die Luft und spürte wie das Zweimarkstück noch wärmer zu werden schien.
    Während ich so unverrichteter Dinge da stand, hörte ich in der Stille des Nachmittags ein deutliches Knistern. Es brach ab, wiederholte sich.
    Das Geräusch erkenne ich auch heute noch mit ve rbundenen Augen: das Auseinanderziehen einer Tüte Sammelbilder an der Klebeleiste. Das Öffnen des spannungsgeladenen Geschenks an sich selbst.
    Mein Blick ging in den Schatten des Bushäuschens.
    Ich musste zweimal zwinkern, dann erkannte ich die Gestalt, die dort auf der Bank saß und Tütchen öffnete: Michael, das Pickelgesicht. Mein Klassenkamerad.
    Na ja... Kamerad.
    Er war erst zur zweiten Hälfte des Schuljahrs in unsere Kla sse gekommen. Und keiner mochte ihn.
    Warum konnte vermutlich keiner so genau sagen, aber nach dem ersten Tag zusammen im selben Klassenraum hatten wir Jungs unser Urteil gefällt. Also Uwe und Stefan — unsere Klassenrowdys — nahmen uns diese Aufgabe ab. Nicht dass wir dagegen etwas zu sagen gehabt hätten. Es sei denn, man wollte das Glück, das eine solche Diktatur mit sich bringen kann in Frage stellen. Dies bedeutete Klassenkeile. Und darauf war niemand wirklich scharf.
    Also war das Ergebnis einstimmig, sozusagen — ich akze ptierte es stillschweigend, weil alle dafür waren. Was mich nicht weiter belastete. Und die Mädchen der Klasse zählten ja sowieso nicht.
    Was aber zählte, war der Karton mit den Fußbal lsammelbildern, der neben Michael auf der Bank stand und aus dem er die nächste Tüte pflückte.
    Gekonnt riss er sie auf, warf die Verpackung zusammeng eknüllt in den Mülleimer an der Wand, während er die 5 Bilder Inhalt, die eine solche Tüte beinhaltete, mit einer Hand fächerförmig auseinanderbreitete.
    Er schüttelte leicht den Kopf, dann legte er die Bilder auf den Stapel neben seinem Oberschenkel. Schon griff er sich die nächste Tüte aus dem Karton.
    Ich trat näher.
    Michael, im Begriff die neue Tüte zu öffnen, hielt kurz inne und sah hoch. „Ach, Thomas, du bist 's", murmelte er.
    Seine Pickel glühten, genau wie sein Gesicht. Er war ganz woanders, ganz in seinem Element.
    „Wusste gar nicht, dass du sammelst", gab ich so lässig von mir, wie ich nur konnte.
    In mir glühte es nun ebenso, denn ich sah das oberste Bild von denen die Michael gerade aus der Verpackung gezogen hatte: Paolo Rossi — der einzige Spieler, das einzige Bild, das mir noch in meinem Album fehlte.
    „Ach Mensch, nicht du schon wieder...", stellte Michael enttäuscht fest. Dann zu mir gewandt: „Mein Vater hat auch schon gesammelt — ist ne Tradition bei uns!" Er sah noch mal auf Rossis Klebebild.
    „Hasst du es auch so, wenn du ständig immer dieselben ziehst?"
    Mein Hals war auf einmal irgendwie trocken, die Worte staubten eher als dass sie klangen aus meinem Mund. „Ja, das nervt!"
    „Kannst du ihn gebrauchen? Er verfolgt mich — irgendwie. Hab ihn schon elfmal." Er hielt mir das Ende meiner Suche entgegen.
    Trompeten und Fanfaren würden in meinem Kopf erklingen, wenn ich es in das leere Feld im Album kleben würde — so viel war mal sicher.
    Michael musste meinen Gesichtsausdruck erkannt haben. Er lächelte.
     
    Die Welt war in Ordnung. Im absoluten Gleichgewicht mit dem Rest des Universums. So etwas kann eine halbe Ewigkeit andauern. In unserem Fall dauerte sie weniger als 30 Sekunden. Dann kamen Uwe und Stefan die Treppe vom Parkplatz oberhalb des Bushäuschens heruntergepoltert. Bewaffnet mit Stangenwassereis, dem für einen Groschen.
    „Hey, Keule!" , begrüßten sie mich, die Kugel und die Bohnenstange, wie sie hinter ihrem Rücken genannt wurden. Allerdings nur solange, bis dies ihnen an die Ohren drang.
    Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Und Verräter haben immer Konjunktur. Besonders im Klassenraum, der sein eigenes Universum ist. Und Uwe und Stefan waren die Herren dieses Universums — wenn man den Mikrokosmos einer Klassengemeinschaft /Dorfjugend so betiteln kann.
    Ihre Laune sank rapide, als sie Michael im Bushäuschen e rblickten.
    „Was macht denn der Spacken da?", giftete Uwe.
    Michael zuckte bei der ihm wohlbekannten Titulierung kurz zusammen.
    „Klebebildchen sammeln

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