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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Kviby
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Bürckel aus der Saarpfalz in Lothringen. Das hatte vielen nicht gefallen. Die Franzosen waren der Meinung, dass diese Region ihnen gehörte, und das Innenministerium und Göring waren der Meinung, dass die Provinzfürsten der Partei zu mächtig wurden. Am schlimmsten war es natürlich für jene, denen diese Region das Paradies auf Erden war. Hitlers Auftrag an Wagner und Bürckel lautete, die Region wieder deutsch zu machen, und die beiden nahmen sich dieser Aufgabe energisch an. Zehntausend Juden flüchteten nach Frankreich, was die Vichy-Regierung so beunruhigte, dass sie plante, diese in die französischen Kolonien in der Karibik zu schicken. Soweit Johan Droth wusste, war dieser Plan nie umgesetzt worden.
    Er flüchtete sich gern in die Geschichte, wenn er Ablenkung brauchte. In seinem Haus in Luxemburg gab es eine große Büchersammlung über den Zweiten Weltkrieg. Mit Gedanken an Ereignisse, die weit zurücklagen, ließ es sich angenehm ausruhen, denn sie würden morgen und in aller Zukunft noch genauso aussehen. Die Geschichte änderte sich nicht, sie hatte Bestand.
    Er war in der Freiburger Uniklinik gewesen. Und hatte dort einen alarmierenden Befund erhalten. Der Krebs habe gestreut, hieß es, und bereits die Knochen befallen. Er verstand nicht alles, was der Arzt sagte, aber seiner bekümmerten Miene war zu entnehmen gewesen, dass sich die Prognose nicht mit einem langfristig geplanten Leben vereinbaren ließ. Widersprüchliche Gefühle bemächtigten sich seiner. Droth war zerstreut und fühlte sich alt, gelassen und kindlich-trotzig zugleich. Nichts hatte er richtig gemacht. Er hatte sich an die angeblich besten Ärzte Europas gewandt. Sie sind topfit, hatten diese bei seinem letzten Besuch gesagt. So ein Unsinn. Er fuhr an einem Schild vorbei, Rastplatz 1  km, und drehte die Stereoanlage leiser.
    «Verdammter Mist», fluchte er halblaut und unterstrich jede Silbe mit einem Schlag aufs Lenkrad. Ein Tropfen fiel auf sein Hemd. Er legte die Hand auf die Stirn und stellte fest, dass es sich um Tränen handelte und nicht um Schweiß, was ihn enttäuschte.
    «Reiß dich zusammen, Johan», sagte er und betrachtete sich im Rückspiegel. «Jetzt ist es wirklich höchste Zeit, sich zusammenzunehmen.» Nicht zum ersten Mal standen ihm schwere Zeiten bevor. Sein Leben war von ihnen geprägt worden. Man wurde erst zum Mann, wenn man Schwierigkeiten überwand und hinter sich ließ. Trotz seiner Metastasen war er immer noch ein Mann.
    Der Krebs war nur die eine Hälfte des Ärgers. Buster war vollkommen aus dem Tritt geraten, und Johan Droth wusste nicht mehr, wem er noch vertrauen konnte. Außer Hellsten. Vielleicht war nicht einmal mehr ihm zu trauen. Wer konnte überhaupt noch etwas garantieren? Alles fiel in sich zusammen, sein Körper und sein Königreich. Er würde sterben, und nichts würde ihn überleben. Was er von seinem Vater geerbt hatte, würde zugrunde gerichtet sein, noch ehe die Maden mit ihm fertig sein würden. Gäbe es eine Familienchronik, so würde sein Einsatz darin als Versagen bewertet werden. Sobald er in seinem Haus angelangt war, würde er die Heimreise buchen. Vielleicht war seine Abwesenheit für ihn gefährlicher als sein Krebs.
    Er nahm die Abfahrt  43 südlich von Sarre-Union, um eine Pause einzulegen und etwas frische Luft zu schnappen. Hinter der großen Ausfahrtschleife tauchte ein Lastwagenparkplatz auf. Unweit davon lag ein Restaurant, in dem er einmal gegessen hatte, Windhof Kehne. Es war recht einfach, aber überraschend gut gewesen. Aber jetzt war er nicht hungrig. Er brauchte nur etwas frische Luft. Er hielt an, stellte den Motor ab und blieb eine Weile sitzen, ohne an etwas anderes zu denken als daran, wie sich der Asphalt wohl unter seinen schwachen Beinen anfühlen würde.
    Er stieg aus, lehnte sich an die Tür, schloss die Augen und atmete tief durch. Der Lärm der Autobahn vermischte sich mit den Geräuschen der Natur, dem Wind und dem Zwitschern der unsichtbaren Vögel. Er ging zwei Mal um sein Auto herum. Immerhin funktioniert mein Gehör noch einwandfrei, dachte er und lächelte. Deutsche Vögel saßen hoch oben in den Bäumen. Schon seit langem. Er wusste nicht viel über Vögel, auch nicht, wie lange sie lebten. Er dachte an den Schriftsteller Malaparte, den er am Vorabend im Original gelesen hatte. Malaparte schrieb über Vögel. Dass sie frei und unbekümmert zwitscherten und sich nicht vor dem Tod fürchteten. Ihre Vorväter, falls man in der Vogelwelt von solchen

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