Kosmologie für Fußgänger
Abstand von 300 000 Lichtjahren um den Kreißsaal unseres Universums gelegt, die wir mit unseren Teleskopen nicht durchdringen können.
Nun gut, sehen können wir nichts, aber vielleicht lässt sich ja was berechnen. Und in der Tat sind die Kosmologen in der Lage, mittels einer konsequenten Anwendung der Naturgesetze Theorien über den Zustand und das Aussehen des Universums unmittelbar nach seiner Geburt zu entwickeln. Theorien sind wissenschaftlich begründete Aussagen zur Erklärung gewisser Erscheinungen und der ihnen zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten. Eine Theorie ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der absoluten Wahrheit. Sie hat vielmehr nur so lange Gültigkeit, bis sie durch empirische Beobachtungen oder Experimente beziehungsweise mathematische Beweise widerlegt wird und dann durch eine neue, bessere Theorie ersetzt werden muss. Im Rahmen der Kosmologie muss eine Theorie, welche die Anfänge des Kosmos beschreiben will, die Prozesse der einzelnen Entwicklungsstufen im Einklang mit den Naturgesetzen so darstellen, dass dabei am Ende ein Universum herauskommt, wie wir es heute vorfinden. Dass das nicht einfach ist, kann man sich leicht vorstellen.
Die Theorien, über die die Kosmologie verfügt, sind jedoch nicht fähig, die Ereignisse unmittelbar bei der Geburt beziehungsweise den Zustand des Universums zu diesem Zeitpunkt zu beschreiben. Das liegt an einer natürlichen Grenze, die uns die Naturgesetze ziehen und die wir – noch – nicht überschreiten können. Mithilfe gewisser Naturkonstanten lassen sich nämlich eine kürzeste Zeit, eine kürzeste Länge und eine kleinste Masse definieren. Alles, was sich jenseits dieser minimalen Größen abspielt, ist uns unzugänglich. Die einen sagen, weil jenseits dieser Grenze die Naturgesetze versagen. Richtig ist vielmehr, dass wir keine Vorstellung davon haben, wie die Naturgesetze auf so kleinen Dimensionen beziehungsweise in solch kurzen Zeiträumen wirken. Das Problem liegt insbesondere auf der Seite der Gravitation, dieser universellen Kraft, mit der sich alle Massen gegenseitig anziehen. Wie diese Kraft über große und größte Entfernungen wirkt, wissen wir sehr genau. Aber wir haben keine Ahnung, was über extrem kurze Abstände hinweg passiert. Solange uns eine Theorie fehlt, die die bekannte Quantentheorie, welche die Vorgänge im Bereich atomarer Dimensionen beschreibt, mit der Gravitation verknüpft – also eine so genannte Quantengravitationstheorie -, können die Kosmologen auch keine Theorien aufstellen, die Auskunft geben über das Geschehen zum Zeitpunkt des Urknalls. Das heißt jedoch nicht, dass man überhaupt keine Vorstellung hat davon, was war und was geschah. Aber es sind eben nur sehr ungenaue, vielleicht auch völlig falsche Vorstellungen, so genannte Hypothesen, unbewiesene Annahmen, deren Wahrheitsgehalt sich erst noch zeigen muss.
Herr Olbers denkt nach
Wenn wir weder in der Lage sind, den Ursprung unseres Universums mit Teleskopen zu sehen, noch eine exakte Vorstellung davon haben, was beim Urknall geschah – woher beziehen wir dann den Mut zu behaupten, dass es einen Urknall gegeben hat? Dass das Universum einst aus dem »Nichts« entstanden ist und seitdem größer und größer wird? Isaac Newton war ja fest davon überzeugt, dass das Universum unendlich und statisch ist, sich also nicht ausdehnt. Auch Einstein glaubte zunächst noch an ein starres Universum. Einer der Ersten, die sich bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts bezüglich dieses Themas Gedanken gemacht haben, war Heinrich Wilhelm Olbers. Er beschäftigte sich damals mit der Frage: Warum ist der Nachthimmel dunkel? Auf den ersten Blick erscheint diese Frage ziemlich einfältig. Dunkel ist es einfach deshalb, weil sich die Erde so gedreht hat, dass die Sonne nicht über uns am Himmel steht, sondern die andere Erdhälfte beleuchtet. Aber Olbers dachte viel weiter. Für seine Überlegung ging er davon aus, dass das Universum unendlich ist, sich nicht ausdehnt und dass die leuchtende Materie, also die Sterne, einheitlich im Raum verteilt sind. Eine Annahme, die durchaus mit unseren Erfahrungen im Einklang zu sein scheint. Wenn dem aber so ist, dachte Olbers, dann trifft unser Blick, ganz egal in welche Richtung wir schauen, in irgendeiner Entfernung immer auf einen Stern. Und wenn das Universum unendlich ist, dann stehen die Sterne in der Tiefe gestaffelt so dicht wie die Bäume in einem Wald. Auch hier trifft unser Blick nach einer gewissen Entfernung stets auf
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