Kosmologie für Fußgänger
eben weil es da ist. Alles läuft in geregelten Bahnen, nichts gerät aus der Reihe, nichts kommt hinzu oder vergeht. Wie bei einer Uhr, die nie aufgezogen werden muss und die immer wieder exakt die Zeit angibt, wiederholen sich alle Zustände dieses Universums in regelmäßigen Intervallen.
Einem solchen Verständnis von Universum konnten sich natürlich insbesondere die christlichen Religionen nicht anschließen. Nach deren Glaubensgrundsätzen wurde ja die Welt durch eine Kraft, die außerhalb unseres Begreifens liegt, aus dem Nichts erschaffen, und sie wird am Jüngsten Tag auch wieder untergehen. Außerdem, wenn alles zyklisch wiederkehrt, bleibt kein Platz für das Eingreifen eines lenkenden Geistes in den Ablauf des Weltgeschehens. Die Anerkenntnis eines erschaffenden und steuernden Schöpfers, eines Demiurg (Weltenschöpfers) im Sinne Platons, hat zur Folge, dass das Universum einen Anfang gehabt haben muss und eine Entwicklung durchmacht. Ein Ende ist dabei aber nicht unbedingt zu erwarten.
Auch die moderne Kosmologie kann sich mit diesen Postulaten einverstanden erklären, wenn man ihr nur die Freiheit einräumt, die Entwicklung des Universums nach dem Abfeuern des »Startschusses« zu seiner Entstehung als ein kausales Wirken der Naturgesetze zu betrachten. Wer da geschossen beziehungsweise den Abzug an der Startpistole betätigt hat oder ob sich der Schuss gar von ganz allein gelöst hat, ist zumindest für die Kosmologie nicht so bedeutsam. Wichtig ist, was danach geschah, wie die Entwicklung ablief, die zu jenem Universum geführt hat, wie wir es heute vorfinden, und welche Rolle die Naturgesetze dabei gespielt haben. Deren Ursprung wird nicht hinterfragt. Ob sie Teil einer göttlichen Ordnung oder mit der Entstehung des Kosmos zufällig in dieser uns bekannten Form in die Welt gekommen sind, ändert nichts an ihrem Wirken. Von Bedeutung ist, dass sie wirken und wie sie wirken. In Analogie zur Mathematik könnte man sie als die Axiome der Natur bezeichnen.
Was weiß man über den Urknall?
Dass das Universum seine Entstehung einem »Big Bang«, einer etwa 10 bis 20 Milliarden Jahre zurückliegenden Explosion, verdankt, wird heute von fast keinem Kosmologen mehr angezweifelt. Was die im Universum vorhandene Materie anbelangt, so nimmt man an, dass sie von Beginn an gegeben war. Sicher, der Zustand der Materie muss ein völlig anderer gewesen sein, sehr wahrscheinlich eine Form von Energie, aber sie war in ihrer Gesamtheit bereits vorhanden. Diese Vorstellung ist Grundlage der klassischen »Urknalltheorie«. Sie beschreibt die Entwicklung des Universums, beginnend Bruchteile von Sekunden nach dem Urknall bis heute, aber sie versucht nicht zu erklären, was beim Urknall selbst und unmittelbar danach geschah beziehungsweise wie und warum es »geknallt« hat.
Natürlich möchten die Kosmologen gerne wissen, was im Augenblick des »Knalls« passierte, wie zu diesem Zeitpunkt das Baby, genannt Universum, aussah. Aber das ist ein zurzeit noch unlösbares Problem. Die Natur erlaubt es uns nicht, beim Geburtsvorgang zuzusehen. Mit unseren Teleskopen können wir Objekte in schier unermesslicher Distanz zur Erde aufspüren, Millionen von Lichtjahren entfernt. Das ist gleichbedeutend mit einem Blick in die Vergangenheit. Denn das Licht, das wir von einem so weit entfernten Objekt empfangen, hat ja Millionen von Jahren gebraucht, um von dort zu uns zu gelangen. Es hat seine Quelle, zum Beispiel einen Stern, vor dieser nahezu endlosen Zeit verlassen, sodass wir den Stern so wahrnehmen, wie er vor Millionen von Jahren ausgesehen hat. Ob es ihn heute noch gibt, werden wir wiederum erst in Millionen von Jahren erfahren können. Aber warum ist es auf diese Weise nicht möglich, bis zum Anfang des Universums »zurückzuschauen«? Wie schon gesagt, die Natur erlaubt es nicht, 300 000 Jahre vor »dem freudigen Ereignis« ist Schluss! Warum? Licht besteht aus Photonen, die auf kürzestem Wege von der Quelle zum Empfänger fliegen. In den ersten 300 000 Jahren nach der Geburt konnten sich diese Photonen jedoch nicht ungestört ausbreiten. Ständig wurden sie von den damals sehr zahlreich vorhandenen Elektronen hin und her geschubst. Die Quelle, von der sie ausgingen, wurde dadurch völlig verzerrt und verwaschen, dass keine Kontur mehr zu erkennen ist. Erst 300 000 Jahre nach dem Urknall verschwanden dann die Elektronen größtenteils, und das Universum wurde durchsichtig. Somit hat die Natur eine »optische Mauer« im
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