Kosmologie für Fußgänger
einen Baum. Nun wissen wir aber, dass die Intensität des Sternenlichts, das auf die Erde fällt, mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt. Weit entfernte Sterne leuchten also nur noch ganz schwach. Andererseits nimmt aber die Anzahl der Sterne, die sich beispielsweise in einer Kugelschale um die Erde befinden, mit dem Radius der Kugelschale im Quadrat zu. Das Licht der Sterne in dieser Schale wird zwar mit wachsendem Durchmesser der Schale schwächer, dafür jedoch erhöht sich die Anzahl der Sterne in dieser Schale. Beide Effekte heben sich gegenseitig auf. Das bedeutet, dass jede Schale, welchen Radius sie auch haben mag, stets gleich viel Licht zu uns schickt. Der Himmel müsste also des Nachts in jeder Richtung so hell sein wie die leuchtende Oberfläche unserer Sonne.
Dass dies nicht stimmt, davon können wir uns jede Nacht leicht überzeugen. Wie aber kommen wir aus diesem Paradoxon heraus? Mehrere Lösungen bieten sich an. Erstens: Das Universum ist nicht unendlich, also muss es Lücken geben, in denen unser Blick nicht auf einen Stern fällt. Zweitens: Das Universum ist zwar unendlich, doch ist es nicht unendlich alt. Dann existieren auch die Sterne erst seit einer gewissen Zeit, und diese Zeit ist zu kurz, als dass uns das Licht sehr weit entfernter Sterne schon erreichen könnte. Und drittens: Das Universum dehnt sich aus, das heißt, die Sterne scheinen alle von uns wegzufliegen. Die Sterne, die am weitesten von uns entfernt sind, müssen natürlich auch mit der größten Geschwindigkeit davonfliegen, sonst wären sie ja nicht so weit gekommen. Wenn sich aber ein Stern von uns wegbewegt, dann wird sein Licht immer röter, also langweiliger. Das ist der gleiche Effekt, den wir auch bei einer Schallquelle wahrnehmen, zum Beispiel einem Krankenwagen mit eingeschaltetem Martinshorn, der an uns vorbeifährt. In dem Augenblick, in dem das Auto auf unserer Höhe ist und sich von uns entfernt, ertönt das Martinshorn in einem tieferen Ton, der umso tiefer, also langweiliger ist, je schneller das Auto fährt. Je schneller sich die weit entfernten Sterne von uns wegbewegen, desto röter und damit langweiliger und energieärmer wird also ihr Licht, bis es schließlich so schwach geworden ist, dass wir es nicht mehr sehen können.
Aus diesen möglichen Lösungen des Olbers’schen Paradoxons lassen sich nun verschiedene Schlüsse ziehen. Dass das Universum nicht unendlich groß und unendlich alt sein kann, ist klar. Ist es nicht unendlich alt, aber unendlich groß, so muss es logischerweise vor einer gewissen Zeit einmal entstanden sein, und es muss sich ausgedehnt haben, damit es unendlich groß wurde. Andererseits, wenn sich das Universum ausdehnt, kann es nicht gleichzeitig unendlich sein, denn eine unendliche Größe ist erst nach einer unendlichen Zeit zu erreichen. Die These von einem unendlichen und statischen Universum ist also nicht aufrechtzuerhalten. Wie aber ist das Universum wirklich? Wir wollen es hier gleich einmal verraten: Es ist endlich, es hat ein begrenztes Alter, und es dehnt sich aus!
Hubble und die Expansion des Universums
Nun gut, Herr Olbers in allen Ehren, aber man hätte doch gerne neben diesen trickreichen Überlegungen auch etwas Messbares in der Hand. Dafür hat als Erster der Astronom Edwin P. Hubble im Jahre 1929 gesorgt. Hubble war aufgefallen, dass das Licht fast aller Galaxien eine Rotverschiebung zeigt, das heißt, das Licht, das beispielsweise von einem angeregten Atom in einer dieser Galaxien emittiert wird, ist röter beziehungsweise langwelliger, als wenn sich dieses Atom bei uns auf der Erde befinden würde. Bei der Diskussion des Olbers’schen Paradoxons haben wir ja bereits gesehen, dass eine Rotverschiebung immer dann eintritt, wenn sich ein Objekt von uns entfernt. Auf der Basis dieser Messungen konnte Hubble schon einmal zweifelsfrei belegen, dass sich das Universum tatsächlich ausdehnt.
Aber Hubble ging noch einen Schritt weiter. Er wollte wissen, ob alle untersuchten Galaxien, egal in welcher Entfernung, gleich schnell von uns wegdriften. Die Rotverschiebung ist ja nicht nur ein Indiz dafür, dass sich etwas von uns wegbewegt, sondern auch ein Maß dafür, wie schnell es sich bewegt. Je größer die Rotverschiebung, je größer also der Unterschied zwischen der Wellenlänge des vom Atom in der Galaxie ausgesandten Lichts und des Lichts eines gleichen Atoms auf der Erde, desto schneller bewegt sich die Galaxie. Nachdem Hubble noch die Entfernungen der einzelnen
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