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Kosmologie für Fußgänger

Kosmologie für Fußgänger

Titel: Kosmologie für Fußgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lesch
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Galaxien bestimmt hatte, konnte er in einem Diagramm die Rotverschiebung gegen die Entfernung erfassen. Und siehe da: Mit zunehmender Entfernung fliegen die Galaxien immer schneller von uns weg! Damit war eines der wichtigsten Gesetze für die Astronomie des 20. Jahrhunderts entdeckt. Es besagt: Die Fluchtgeschwindigkeit von Objekten im Universum wächst proportional zu ihrer Entfernung. Die Proportionalitätskonstante ist die zu Ehren von Hubble so genannte Hubblekonstante, deren Wert ungefähr 75 km/s pro Megaparsec beträgt (ein Megaparsec oder ein Mpc entspricht einer Entfernung von 3,26 Millionen Lichtjahren). »Übersetzt« heißt das, dass sich zum Beispiel eine Galaxie, die vom Beobachter ein Megaparsec weit weg ist, sich von ihm mit einer Geschwindigkeit von 75 Kilometern pro Sekunde entfernt. Der enorme Vorteil dieser Beziehung liegt nun darin, dass man nur noch die Rotverschiebung messen muss, um dann mithilfe der Hubblekonstanten sofort die Entfernung des betrachteten Objektes berechnen zu können. Wenn wir hier den Wert für die Hubblekonstante lediglich mit »ungefähr« angeben können, dann deshalb, weil ihre Größe auch heute noch nicht genau bekannt ist. Das liegt hauptsächlich daran, dass es ungeheuer schwierig ist, die Entfernung sehr weit weg stehender Sterne oder Galaxien mit der nötigen Genauigkeit zu bestimmen, sodass immer ein entsprechender Spielraum verbleibt.
    Das Besondere am Hubble’schen Gesetz ist, dass sich mit ihm nicht nur die Fluchtbewegungen einiger bestimmter Galaxien, sondern die aller fernen kosmischen Objekte ermitteln lassen. Man beobachtet also keine zufälligen Bewegungen im Kosmos, sondern eine Expansion des gesamten Universums! Als Modell für eine derartige Ausdehnung wird meist ein mit Punkten bemalter Luftballon oder ein mit Rosinen gefüllter Kuchenteig herangezogen. Bläst man den Ballon auf beziehungsweise fängt der Teig aufgrund der darin enthaltenen Hefe an aufzugehen, so entfernen sich alle Punkte respektive Rosinen voneinander, und dies umso schneller, je größer der Abstand zwischen ihnen ist.
    Mit diesem Ergebnis scheint unsere Welt ja wieder in Ordnung zu sein. Hat uns doch schon einmal Kopernikus aus dem Zentrum des Sonnensystems verbannt, und dann stellt sich auch noch heraus, dass unsere Sonne ihren Platz nicht in der Mitte unserer Galaxis hat, sondern zwischen zwei Spiralarmen, nahezu am Rande der galaktischen Scheibe, so sind wir dank Hubble jetzt wenigstens der Mittelpunkt des gesamten Universums, da ja alles von uns wegzufliegen scheint. Doch Vorsicht, Freunde, mit solch voreiligen Schlüssen! Zuerst wollen wir nochmals in die Teigschüssel zu unserem Kuchen springen und uns auf eine der vielen Rosinen setzen. Wenn der Teig anfängt aufzugehen, dann driften in der Tat alle anderen Rosinen von uns weg, und wir sind scheinbar in der Mitte des Kuchenteigs gelandet. Doch plötzlich springt noch jemand in den Teig und setzt sich auf eine andere Rosine. Nach einiger Zeit teilt er uns mit: Stell dir vor, ich bin genau in der Mitte des Teigs angekommen, um mich herum fliegt alles auseinander. Wenn dann noch ein Dritter kommt und uns das Gleiche erzählt, dann wird uns allmählich klar, dass es völlig egal ist, auf welche Rosine wir uns setzen, denn von jedem Punkt im Teig entfernen sich alle übrigen Objekte, so wie Hubble es gemessen hat. Das heißt aber, dass es in einem sich ausdehnenden Universum keinen bevorzugten Ort und keine Mitte geben kann, alle Stellen sind einander gleichberechtigt. Das Universum scheint sich somit von jedem Punkt aus in alle Richtungen gleich zu verhalten. Eine solche Eigenschaft bezeichnet man auch als Isotropie.
    Heute glauben die Kosmologen, dass sich der Kosmos in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall zunächst linear, also mit praktisch konstanter Geschwindigkeit, dann aber für sehr kurze Zeit stark beschleunigt ausgedehnt hat. Diese stark beschleunigte – oder anders ausgedrückt, exponentielle – Ausdehnung bezeichnet man auch als inflationäre Expansion. Nach dieser Phase soll es dann wieder nahezu linear weitergegangen sein. Aufgrund der inflationären Expansion erreichte das Universum eine Ausdehnung, die das heute sichtbare Universum um viele Größenordnungen übertrifft. Sichtbar aber sind nur solche Objekte im Universum, deren Licht nicht länger braucht, um in unsere Teleskope zu gelangen, als das Universum alt ist. Mithin hat das sichtbare Universum zurzeit einen Radius, der dem Produkt aus dem

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