Kosmologie für Fußgänger
fotografiert und spektroskopiert. Besonders ehrgeizige Sternvermessung führte Edward Pickering am Harvard College durch. Na ja, eigentlich führte er vor allem eine große Gruppe von Frauen an. Ihnen oblag die genaue Inspektion der Fotound Spektroskopplatten – eine äußerst lästige und monotone Arbeit. Pickering heuerte Frauen an, weil sie weniger Lohn verlangten und mit größerer Sorgfalt und Geduld als Männer die Sterne zählten. Obwohl Pickering sehr viele Damen beschäftigte, wurde nur eine der astronomischen Fachwelt bekannt: Henrietta Leavitt. Sie schuf die Grundlage für eine völlig neue Methode der Entfernungsmessung.
Ihr besonderes Talent wurde sichtbar, als sie die Inspektion der Fotoplatten unternahm, die die kleine Magellan’sche Wolke zeigten. Miss Leavitt entdeckte dabei zahlreiche Cepheiden, eine Gruppe von veränderlichen Sternen, benannt nach dem Sternbild δ Cephei. Bei diesen Veränderlichen, die sich fortwährend ausdehnen und wieder zusammenziehen, kommt es zu periodischen Schwankungen der Helligkeit. Die Periode oder der Zyklus dieser Helligkeitsvariationen kann einen Tag oder auch mehrere Monate betragen. Das Wichtigste aber ist, dass sich diese Helligkeitsschwankungen mit der Präzision eines Uhrwerks sogar bis auf Sekundenbruchteile genau wiederholen.
Bevor wir jedoch mehr verraten, zunächst ein kleiner physikalischer Exkurs. Wir wollen doch wissen, warum sich die Cepheiden so präzise, aber auch so wunderlich verhalten. Hier zeigt sich wieder einmal, wie insbesondere Atom- und Kernphysik zum notwendigen Handwerkszeug der Astronomen gehören und wie damit die Vorgänge in den riesigen Himmelskörpern, den Sternen, erklärt und verstanden werden können. (Merken Sie, liebe Leserinnen und Leser, wie stolz wir Physiker auf unsere Wissenschaft sind?)
Wie schon erwähnt, beruht der periodische Helligkeitswechsel auf einem fortwährenden Zusammenziehen und erneuten Ausdehnen, also einem Pulsieren der Sterne. Grob gesprochen sind Sterne ja Gaskugeln, und die können in Schwingungen geraten. Das ist wie bei einer Spiralfeder, an der ein kleines Gewicht hängt. Zieht man ein wenig an dem Gewicht und lässt es dann wieder los, so schwingt die Feder um ihre Ruhelage, indem sie sich periodisch zusammenzieht und wieder ausdehnt. Während die Feder nur in einer Richtung schwingt, tun es die Gaskugeln der Sterne in alle drei Richtungen des Raumes. Das heißt, die Kugel schrumpft insgesamt etwas zusammen und dehnt sich dann wieder aus. Bei den Cepheiden kann sich dabei deren Radius bis zu plus/minus 50 Prozent ändern! Das muss man sich mal vorstellen: Ein Stern mit einer Ausdehnung von mindestens einer Million Kilometern dehnt sich um fast den gleichen Wert aus. Welche Kräfte müssen da am Werk sein! Für die Geschwindigkeit, mit der sich ein Punkt auf der Oberfläche des Sterns bei der Ausdehnung vom Zentrum entfernt beziehungsweise bei der Kontraktion auf das Sternzentrum zuläuft, wurden Werte von 30 Kilometern pro Sekunde gemessen.
Normalerweise kommen einmal ins Schwingen geratene Sterne nach einiger Zeit wieder zur Ruhe, weil bei der fortwährenden Kompression und Ausdehnung der Gaskugel Energie durch Reibung verloren geht. Insbesondere während des Schrumpfens wird ein Teil der beim Zusammenpressen der Gaskugel frei werdenden Energie in Form von Wärme vom Stern abgestrahlt. Dieser Bruchteil an Energie fehlt aber dem Stern bei der erneuten Ausdehnung, sodass er nicht mehr ganz seinen maximalen Durchmesser erreicht. Die Schwingung ist also gedämpft und hört schließlich ganz auf. Damit das nicht passiert, muss der Stern dafür sorgen, dass sich im richtigen Moment sein Innendruck etwas erhöht, damit er sich wieder auf den ursprünglichen Durchmesser aufblähen kann. Nun stellt sich die Frage: Wie machen das die Cepheiden?
Dazu müssen wir uns zunächst diese Sterne etwas genauer ansehen. Cepheiden haben schon einen Großteil ihres Lebens hinter sich, nämlich die Phase, in der sie über lange Zeit ruhig und gleichmäßig ihren Wasserstoffvorrat im Zentrum zu Helium verbrennen. Jetzt sind sie gerade dabei, Helium zu Kohlenstoff, Sauerstoff und Neon zu fusionieren. Im Inneren, in der Nähe der Oberfläche, lagern Schichten aus noch nicht verbranntem Wasserstoff und Helium. Diese Schichten enthalten aber keine neutralen Atome, sondern Ionen, das heißt, aufgrund der Hitze im Stern hat sich sowohl von den Wasserstoffals auch von den Heliumatomen je ein Elektron losgelöst, das sich nun
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