Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
blockiert. Aus der Ferne hört man den Widerhall skandierter Parolen. Die Polizisten stehen vor ihren Wagen und nehmen die Flüche der Fahrer entgegen, die nach rechts abbiegen, doch sie bleiben gelassen und geben vor, den Anblick der Tourkovounia-Berge zu genießen.
»Was ist passiert, Leute?«, frage ich, nachdem ich gesagt habe, wer ich bin.
»Die Gewerkschaften haben zu einer Versammlung vor ihrer Zentrale aufgerufen, um gegen das Sparprogramm zu protestieren«, erklärt mir der Kriminalhauptwachtmeister.
»Und was mache ich jetzt? Kann ich über die Ippokratous-Straße fahren?«
»Ausgeschlossen«, antwortet mir der Fahrer. »Die Ippokratous ist bis zur Voulgaroktonou gesperrt. Da müssen Sie schon den Vassilissis-Sofias-Boulevard nehmen.«
Ich biege nach rechts ab und fahre wieder zurück zum Areopag, doch bis zur Panormou-Straße ist eine weitere Dreiviertelstunde verstrichen. Der Chef der Central Bank, der auf mich wartet, wird mich verfluchen, doch es gibt keine andere Lösung als den Weg über den Vassilissis-Sofias-Boulevard. Zum Glück ist er befahrbar, doch meine Freude schrumpft mit jedem Meter, der mich dem Hilton Hotel näher bringt. Von da an verschlimmert sich die Lage permanent, bis der Verkehr endgültig zum Erliegen kommt. Nicht einmal eine Maus könnte durchschlüpfen, denn die Sondereinheiten haben einen Schutzwall gebildet.
Wieder frage ich, nachdem ich mich ausgewiesen habe: »Kollegen, was ist los?«
»Die Rentner demonstrieren vor dem Parlament«, erwidert ein junger Beamter.
»Und wie komme ich jetzt zum Omonia-Platz?«
Die Polizeibeamten wechseln einen Blick und kommen wohl zu dem Schluss, dass ich verrückt sein muss, denn sie lachen mir ins Gesicht.
»Da gibt es nur eine Lösung«, erklärt mir der Gruppenleiter. »Sie lassen Ihren Wagen hier, und wir parken ihn an der Polizeiwache in der Ypsilantou-Straße. Und Sie gehen entweder zu Fuß oder nehmen am Syntagma-Platz die U-Bahn.«
Mein erster Impuls ist, das Treffen mit dem Bankenchef abzusagen. Doch ich überlege es mir anders, als mir Stathakos in den Sinn kommt. Ich höre schon seine bissigen Kommentare, wenn er erfährt, dass ich es nicht einmal bis zum Hauptquartier der Central Bank geschafft habe.
»Könnte mich nicht ein Streifenwagen hinfahren?«, frage ich den Gruppenleiter.
»Wenn man uns den kurz und klein schlägt, kriegen wir ihn aufgrund der Sparmaßnahmen nicht ersetzt«, lautet die Antwort.
Ich muss zugeben, das überzeugt mich, und so übergebe ich ihm meine Wagenschlüssel mit der Bitte, sie beim diensthabenden Leiter der Polizeiwache zu hinterlegen.
Zu Fuß mache ich mich auf den Weg zum Syntagma-Platz. Bis zum Parlament komme ich bequem voran, da die Demonstranten aufgrund der Straßensperrung die ganze Fahrbahn benutzen können. Sämtliche Rentner Griechenlands scheinen sich vor dem Parlament und auf dem Syntagma-Platz zusammenzudrängen.
Als ich die Rolltreppe zur U-Bahn hinunterfahre, rüttelt mich ein Siebzigjähriger heftig am Ärmel: »Ich kriege vierhundert Euro Rente im Monat!«, ruft er. »Was will mir die EU davon noch kürzen? Ich frage Sie: Welcher Deutsche, Franzose oder Schwede kann von vierhundert Euro monatlich leben? Im Sommer quellen die Inseln über von Rentnern aus Frankreich, Schweden oder Deutschland. Ich kriege keine Insel zu Gesicht, nicht mal mit dem Feldstecher. Denn mit vierhundert Euro monatlich kann ich mir auch keinen Feldstecher leisten.«
»Warum hackst du auf den Deutschen und Schweden herum?«, mischt sich sein Nachbar ein. »Erkundige dich doch mal, wie viel Rente die Abgeordneten nach zwei Legislaturperioden im Parlament bekommen! Nach gerade mal acht Jährchen, meine ich.«
»Wie viel kriegen Sie?«, fragt mich der Erste.
»Ich bin noch nicht in Rente.«
Sein Nachbar blickt mich argwöhnisch an. »Lass mal lieber. Siehst du nicht, dass der Anzug und Krawatte trägt?«, sagt er zu seinem Freund. »Der arbeitet bestimmt im Parlament, steckt sechzehn Monatsgehälter ein und geht mit fünfzig in den Ruhestand.«
Die ganze Anreise hat mich schon strapaziert, hinzu kommt die Nervosität wegen der Verspätung beim Bankenchef. Daher lässt sich mein Unmut nicht mehr zügeln.
»Ich bin kein Rentner, kapiert? Ich bin Bulle, und auch mir werden das vierzehnte Gehalt und die Zulagen gestrichen.«
»Das können Sie jemand anderem erzählen! Aber sei’s drum, Sie haben uns trotzdem bestätigt, dass wir alle im selben Boot sitzen«, meint der Erste und entlässt mich mit
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