Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
Charlie dann.
Wie auch immer Marc es ausdrücken wollte, er wurde entlassen. In den ersten Wochen nach dieser Neuigkeit schwebten wir allerdings auf Wolken. Seit Marc mir nach Australien gefolgt war, gleich vom ersten Jahr an, hatte er bei Alsttel gearbeitet, daher kriegte er eine ordentliche Abfindung. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sagten wir uns, das ist unsere Chance, den Kontinent zu wechseln. Dieses Geld ist unser Ticket zurück nach Frankreich, wo wir uns kennengelernt hatten.
Wo wir glücklich gewesen waren.
Voller Vorfreude fingen wir an, Pläne zu schmieden, so wie Kinder mit einer großen Tüte voller Lutscher. Wir waren so optimistisch, wie wir es früher immer gewesen waren. Es sollte der Anfang von etwas wunderbar Neuem werden. Wir wollten uns in Frankreich ein Haus auf dem Land kaufen, irgendwo im Südwesten, wo der Lot sich wie ein glänzender silberner Drachenschwanz durch die Dörfer windet. Ein Leben in einer anderen Welt, weit Weg von allem. Unsere zweite Chance.
Also lag ich jeden Abend wach und überlegte, wie wir vorgehen mussten. Wir würden unsere Wohnung in Sydney verkaufen und unser Auto auch und einen Garagenflohmarkt veranstalten. Endlich würde ich die alte Couch abstoßen und die Kartons mit Krimskrams wegschmeißen, die sich in der Garage stapelten, und vielleicht sogar Marcs alte Klamotten aussortieren, wenn er mal nicht da war. Es war Zeit, dass seine alten Cowboystiefel rausflogen und ich meinen Job kündigte. Ja, ich würde meine Stelle aufgeben. Allerdings brach diese Entscheidung mir nicht gerade das Herz, denn ich hatte die Arbeit im Gericht nie gern getan. Es hatte mir nie Vergnügen gemacht, mit einem Rollwägelchen voller Akten in den Sitzungssaal zu spazieren, um mit kribbelndem Magen und klopfendem Herzen vor dem Richter zu stehen und mit gesenktem Kopf zu murmeln: »Wie es dem hohen Gericht beliebt, Euer Ehren, ja, selbstverständlich, Euer Ehren.«
Ich weiß noch, wie ich eines abends, als wir im Bett lagen, Marc am Einschlafen hinderte; ich wollte weiter darüber sprechen.
»Tu es comme Perrette et le pot au lait«, stöhnte er und zog sich das Kissen über den Kopf. » Oui , du bist genau wie Perrette. Lass mich schlafen!«
Er vergleicht mich oft mit Perrette - einem Mädchen aus einer Fabel von La Fontaine, die alle Franzosen mit Vorliebe zitieren. Perrette war auf dem Weg zum Markt, um einen Krug Milch zu verkaufen. Sie freute sich auf das Geld, das sie dafür bekommen würde, und überlegte schon, was sie sich davon alles anschaffen könnte. Doch vor lauter Aufregung ließ sie den Milchkrug fallen. Die Ärmste! Aber wenigstens hat ihr das Planen Spaß gemacht.
Marc meint, darum gehe es nicht. Aber ist es nicht gerade das Planen, das Vergnügen bereitet?
Im folgenden Jahr zogen wir jedenfalls in das alte Haus von Lherm ein, im Südwesten von Frankreich, tief im Herzen der Provinz. Wirklich ganz weit Weg von allem. Wir hatten für unser neues Heim fast nichts bezahlt, ein richtiges Schnäppchen war es gewesen, dachten wir vergnügt. Klar, wir müssten eine Menge Arbeit hineinstecken - es gab weder fließendes Wasser noch Strom, und auch das Dach müsste repariert werden. Aber wie viel Spaß würde das machen! Ich wollte mir eine Stelle als Lehrerin suchen, und Marc würde den ganzen Tag am Haus arbeiten. Im Vergleich zu meinem Job am Gericht würde das Unterrichten ein Klacks sein. »Das mache ich doch im Schlaf.« Ich lachte. Wir würden ein einfaches Leben führen, aber gerade darauf freute ich mich.
Doch da wir keine Kristallkugel hatten, konnten wir es nicht vorhersehen.
Und ja, in dem Sommer, in dem wir nach Lherm zogen, waren wir glücklich. Wir radelten nach Castelfranc hinunter, einem Dorf, das etwa zehn Kilometer weiter an der Straße lag. Dort mündet der Vert in den Lot, Wasser mischt sich strudelnd mit Wasser in klarem Kristallgrün. Die Steine unter unseren bloßen Füßen waren zu glatten, flachen Kieseln abgeschliffen.
Wir überquerten den Vert auf der alten Steinbrücke, auf deren Mauern die Einheimischen hockten wie Möwen auf einer Mole. Sie angelten, redeten und riefen uns Fremden ihr Bonjour, Monsieur, 'dame zu. Und wir fuhren weiter, vorbei an der alten Wassermühle mit den seit langem geschlossenen Fensterläden und den schmalspurigen Bahngleisen für den lokalen Güterzug. Inzwischen waren sie von Lavendel- und Rosmarinbüschen überwuchert, deren würziger Duft uns bis an den Fluss hinunter begleitete.
Wir zogen uns bis auf das
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