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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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glaubte sie, dass alles leichter gewesen wäre, wenn sie ihren Mann an ihrer Seite gehabt hätte. Sie fühlte sich so isoliert, als ob sie auf einer Eisscholle hockend allein den Rhein hinuntertriebe.
    Sie stieg aus dem Auto und sah durchs Fenster in die erleuchtete Küche. Goethe, der getigerte Kater, lag auf der Heizung und blinzelte schläfrig zum Küchentisch hinüber, wo Richard vor der blauen Steingutschüssel saß und Gemüse klein schnitt. Normalerweise hätte Pilar sich darüber gefreut, dass ihr Mann einen seiner sagenhaften Salate zubereitete. Jetzt aber dachte sie nur: Ich schaffe es nicht, auch nur ein einziges Salatblatt zu kauen, ich will nur noch ins Bett.
    Pilar öffnete die Haustür aus Kiefernholz und schleppte sich über die Schwelle, als wäre sie um fünf Jahrzehnte gealtert. Das übliche »Hola, Richy!« wollte ihr nicht über die Lippen. Es schien unmöglich, den Mund für zwei ganze Worte zu öffnen.
    »Na, wie war’s?«, rief Richard aus der Küche.
    Pilar ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Sie streifte den Mantel ab, ließ ihn auf den Boden sinken und bückte sich nicht danach. Hinter ihr, draußen vor der Tür, war ein Geräusch, als ob … Ach, es war gleichgültig, irgendein Geräusch eben. Vielleicht ein Stapel Reklameblätter, die der Austräger achtlos auf die Matte geworfen hatte. Sie machte ein paar Schritte auf den offenen Küchenbereich zu. Richard hob den Kopf.
    »Alles geklappt? Tosender Beifall?«
    Aus der blauen Schüssel schauten grüne und gelbe Salatblätter heraus, die Richard mit Radieschenscheiben garnierte. Vor ihm lagen zwei Tomaten und eine Gurke. Diese Farben, dachte Pilar, sind wie das pralle Leben, und nicht weit von hier liegt die Tote bleich im Plastiksack. Möglich, dass auch Frau Holzbeissers Ehemann einen Salat zubereitet, zwei Gedecke auf den Tisch gestellt und eine Flasche Rotwein geöffnet hatte. Und nun überbrachte ihm ein Kommissar die Nachricht, dass er Witwer geworden war. Pilar schluckte. Sie kannte die Lehrerin kaum – diese blöde Auseinandersetzung hätte nicht sein müssen, wenn sich beide Teile beherrscht hätten. Ärgerlich, dass Freddy das so herausposaunt hatte …
    »Ist jedenfalls spät geworden«, meinte Richard. »Habt ihr noch gefeiert?« Sein Blick wanderte von Pilars Gesicht zu ihren Händen. »Keine Blumen diesmal? Oder sind sie im Auto? Das letzte Mal waren die Stiele einen Meter lang, weißt du noch?«
    Pilar ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sie griff nach dem Teller, der vor ihr stand, und schob ihn auf der Tischplatte hin und her. Die raue Rückseite machte auf dem Holz ein schabendes Geräusch. Richard blieb gelassen.
    »Ich kann mir denken, was los war«, sagte er. »Kevin hat den falschen Satz abgedrückt und das ganze Stück versaut.«
    Pilar schüttelte den Kopf.
    »Die Kulisse ist zusammengekracht und die Lichtanlage explodiert.«
    Pilar brachte einen Seufzer zustande.
    »Ein Grippevirus hat die Spieler ans Bett gefesselt, und du hast sämtliche Rollen allein gespielt. So siehst du jedenfalls aus. Erschöpft.«
    Pilar betrachtete das Kringelmuster des Tellers und ließ ihn noch mal hin und her kratzen.
    »Ein Mord«, flüsterte sie.
    Richard hielt in seinem Schnippeln inne und lachte laut auf.
    »Passend zum Stück? Du veräppelst mich.«
    In mühsam herausgepressten Sätzen erzählte Pilar, was geschehen war. Hoffentlich begriff er, warum sie sich so elend fühlte. Hoffentlich begriff er, dass sie ganz schnell seine Hilfe brauchte!
    Richard legte die angeschnittene Gurke auf den Tisch. Sein Gesicht bekam harte Konturen. »Unser rotes Messer? Das ich am Sonntag mit dem Schleifstein geschärft habe? Das Lieblingsmesser meiner Mutter? Hast du vergessen, dass sie uns ausdrücklich gebeten hat, wir sollten sorgsam –«
    »Ist das alles, was dir einfällt?«, schrie Pilar.
    Sie hob die Hand mit dem Teller. Er duckte sich. Der Teller flog über seinen Rücken hinweg, prallte am Küchenschrank ab und zerschellte auf den Fliesen.
    Gleichzeitig landete der Kater mit dumpfem Aufprall auf dem Boden und verschwand im Flur.
    »Merkst du nicht, wie ich mich fühle?«, brüllte sie.
    Richard setzte sich wieder aufrecht hin, nahm die Gurke und schnitt sie in Scheiben. »Kein Grund, einen Gattenmord zu begehen.«
    Pilar griff nach dem Teestövchen aus massivem Glas.
    »Sei vernünftig, Pilar. Das war ein grauenvoller Zufall. Du musst nicht dafür geradestehen, dass du ein Messer liegen gelassen hast, mit dem später jemand

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