KR137 - Ich stürzte den Senator
Zettel. »Schreiben Sie ins Protokoll«, sagte er dann zu dem Protokollführer der Mordkommission: »Unmittelbar neben dem Fundort des Toten stand ein kleiner Tisch mit einem modernen Telefonapparat von Elfenbeinfarbe. Am Hinterkopf der Hörmuschel wurden drei Fingerabdrücke – vermutlich Daumen, Zeige- und Mittelfinger – aufgenommen. Aus der Lage der Fingerabdrücke ist zu schließen, daß sie nicht vom Festhalten des Hörers während eines Telefongesprächs entstanden sind. Fingerabdrücke, die von einem normalen Halten des Telefonhörers herrühren, entstehen in der Regel um den mittleren Gabelteil zwischen Hörer und Sprechmuschel. Dort wurden die Fingerabdrücke des Ermordeten einwandfrei festgestellt. Die oben bezeichneten drei Hautleistenbilder stammen nicht von dem Ermordeten.«
»Saubere Arbeit«, sagte ich anerkennend zu dem Spezialisten für Fingerabdrücke. »Kann ich den Zettel mit den Angaben behalten?«
Der Mann nickte.
Ich steckte meinen Zettel sorgfältig in meine Brieftasche. Wer weiß, wozu er noch gut sein konnte.
»Sie haben also vermutlich recht, G-man«, sagte der Captain zu mir. »Der Mörder hat den Hörer wieder aufgelegt, nachdem er den Professor mitten im Gespräch ermordet hatte. Ich verstehe nur nicht, warum er nicht auch am Telefon seine Fingerabdrücke abgewischt hat. An der Mordwaffe hat er es doch getan.«
»Ich glaube, das hat einen ganz einfachen psychologischen Grund«, sagte ich. »Der Mörder kam in dem Vorsatz hierher, den Professor durch einen Dolchstich zu töten. Der Täter hat sich dabei schon von vornherein überlegt, daß er nach der Tat den Griff des Messers von seinen Fingerabdrücken befreien muß. Das hat er in Gedanken gewissermaßen exerziert wie ein Rekrut seine Militärübung. Nun kam aber etwas dazwischen, eine winzige Kleinigkeit, die man bei keiner Tat voraussehen kann und die darum auch nicht im voraus mit in die Überlegung einbezogen werden konnte. Der Professor telefonierte nämlich, als sich der Täter von hinten an sein Opfer heranschlich. Der Dolchstoß geschah während des Gesprächs. Aus Instinkt legte der Täter den Hörer auf. Er denkt sich natürlich nichts dabei; einen Telefonhörer aufzulegen, das hat jeder Stadtmensch immer und immer wieder zu tun, es ist absolut nichts Besonderes daran. Und eben weil nichts Besonderes daran ist, weil es eine winzige Nebensächlichkeit ist, denkt der Täter auch nicht weiter darüber nach. Im Gegenteil, er weiß jetzt schon vielleicht nicht einmal mehr, daß er den Hörer auf die Gabel gelegt hat. Er geht genauso vor, wie er es sich in Gedanken zurechtgelegt hat: Den Griff der Mordwaffe von den Fingerabdrücken säubern, dann vorsichtig den Rückzug vom Tatort antreten.«
Der Captain sah mich kritisch an.
»Aber ich weiß doch, ob ich telefoniert habe oder nicht«, sagte er.
»Das läßt sich leicht feststellen«, erwiderte ich. »Wir werden sehen, wie viel Aufmerksamkeit Sie den kleinsten alltäglichen Dingen widmen. Haben Sie heute vormittag schon einmal den Tintenlöscher auf Ihrem Schreibtisch in der Hand gehabt?« fragte ich.
»Ich glaube, ja«, sagte der Captain.
»Können Sie es beschwören?« forschte ich.
Der Captain dachte einen Augenblick lang nach. Sein Gesicht wurde lang.
»Beim Teufel, nein!« brummte er. »Wenn ich genau darüber nachdenke, so kann es auch gestern gewesen sein, als ich den Löscher zum letztenmal in der Hand hatte.«
»Sehen Sie«, sagte ich. »Das sind Dinge, die sich keiner von uns merkt, weil sie einfach zu nebensächlich erscheinen, weil sie absolut unwichtig sind. Bis sie einmal von entscheidender Bedeutung werden. Wie in unserem Fall. Hier hat uns der Täter ein Beweismaterial hinterlassen, das ihn eines Tages auf den Elektrischen Stuhl bringen wird.«
»Erst müssen wir ihn einmal haben«, knurrte Hywood.
»Es gibt eine Menge Ansatzpunkte«, sagte ich. »Verhören Sie den Pförtner: Hat er einen oder mehrere Männer ins Haus kommen sehen, die der oder die Täter sein könnten? Hat im Nachbarhaus jemand gewisse Männer die Treppen herunterkommen sehen, die mit den von uns gesuchten Leuten identisch sein könnten? Ist die Fingerabdruckformel registriert? Hat Mr. Richard G. Verlane ein einwandfreies Alibi für die Mordzeit? Warum kam er gerade zu einer Zeit zu dem Professor, da der Mann normalerweise noch im Bett gelegen hätte, wenn er nicht ausnahmsweise einmal früher aufgestanden wäre, als es sonst seine Gewohnheit war? Was hat die Wahl morgen mit der
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