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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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hektische Betriebsamkeit und schien Schub, Ruder, Bremsen und Querruder gleichzeitig zu bedienen. Das Heck senkte sich, das Flugzeug wurde langsamer, aber nicht schnell genug, da die Gezeitenabläufe, die ausgesehen hatten, als wären sie so fern am nordwestlichen Ende des Strandes gewesen, hinter der verschwommenen Schliere des verlangsamenden Propellers auf sie zugerast zu kommen schienen. Fünf Sekunden bevor sie über die Klippen der Mündungen holperten, brachte Meeks den rechten Reifen so tief hinunter, daß Gischt auf Sauls Scheibe gespritzt wurde, drosselte den Schub und bremste, so daß das Heck gehoben wurde und sie eine ausholende, scharfe Drehung machten, bei der der linke Reifen vom Boden abhob und der rechte bis auf Zentimeter an die Einmündung und die Dünen herankam, bevor die Maschine zum Stillstand kam, der Propeller sich im Leerlauf drehte und die Windschutzscheibe wie beabsichtigt nach Osten zu dem Streifen nassen Sands zeigte, den drei parallele Linien durchzogen, die alles andere als gerade waren.
    »Drei Minuten«, sagte Meeks, der schon wieder den Steuerknüppel heranzog. »Ich warte am Ostende des Strands, aber wenn der Wind nachläßt oder ich ihr Boot um den Slave Point herumkommen sehe, adios. Die Lady bleibt bei mir im Flugzeug und hilft mir, das Heck am Wendepunkt zu heben.«
    Saul nickte, öffnete den Gurt und sprang zur elastischen Tür hinaus; draußen wehte sein langes Haar im Wind und im Strom des Propellers. Natalie schob eine lange, schwere Tasche hinaus, die in Plastikfolie verpackt war, so daß nur die Ledergriffe herausragten.
    »He!« rief Meeks. »Sie haben nichts gesagt von ...«
    »Los!« rief Saul und rannte zum Waldrand, wo der Gezeitenablauf unter dichten Palmwedeln und tropischen Blüten verschwand.
    Es war ein Sumpf. Zehn Meter vom Strand entfernt sank Saul bis zu den Knien ein, die Magnolien und Palmen wichen uralten Zypressen und knorrigen Eichen voller Tillandsien. Ein Fischadler brach zwei Meter über Sauls Kopf aus einem großen Nest, und zehn Schritte von seinem rechten Bein entfernt schwamm etwas weg und erzeugte ein großes V mit seinem Kielwasser, wobei Saul daran denken mußte, was Gentry gesagt hatte, von wegen Schlangen im Dunkeln fangen.
    Sauls drei Minuten waren fast um, als er auf den Kompaß sah und entschied, daß er weit genug drinnen war. Er trug die schwere Tasche auf der rechten Schulter, und nun sah er sich um und erblickte eine uralte Zypresse, die von Feuer oder Blitzschlag vernichtet worden war; die beiden untersten Äste ragten über das Brackwasser wie die verkohlten Arme eines schreienden Mannes.
    Er watete darauf zu und war bis zur Taille eingesunken, als er den Stamm erreichte. Der Blitzschlag hatte eine klaffende Lücke an der linken Seite gerissen und das verfaulte Innere freigelegt.
    Schlamm und die Strömung zogen unter Wasser an Sauls linkem Hosenbein, während er die Tasche in die Lücke steckte, zur Seite schob, damit man sie nicht mehr sehen konnte, und mittels Druck und einem Stützkreuz aus kurzen, abgestorbenen Zweigen, die er von dem grauen Baumstamm abbrach, fest an Ort und Stelle verkantete. Er watete zehn Schritte zurück, vergewisserte sich, daß die schwere Tasche nicht mehr zu sehen war, und prägte sich Form und Lage des alten Baums in Relation zum Gezeitenablauf, anderen Bäumen und einem Fleckchen Himmel ein, das oben zwischen hängenden Tillandsien und verkrüppelten Zweigen zu sehen war. Dann drehte Saul sich um und versuchte, zum Strand zurückzueilen.
    Der Schlamm hielt ihn auf, versuchte ihn nach unten zu ziehen und drohte, ihm die Schuhe auszuziehen oder die Knöchel zu brechen. Eine Schicht brackigen Schaums klebte an seinem Hemd, das abgestandene Wasser roch nach Meer und Fäulnis. Er stieß sich den Kopf an Palmwedeln und Farnen, während ein Schwarm Stechmücken als dichte Wolke um sein verschwitztes Gesicht und die Schultern schwebte. Auf dem Rückweg schien die Vegetation unendlich dichter zu sein, das Bemühen endlos. Dann hatte er die letzte Barriere der Zweige überwunden und stolperte durch den sandigen, seichten Ablauf, kletterte die Wand der Kluft hinauf zum Strand und stellte fest, daß er trotz Kompaß dreißig Meter weiter westlich herausgekommen war als beim Eindringen.
    Die Cessna war fort.
    Saul blieb einen erstickenden, fassungslosen Augenblick stehen, dann lief er fünfzig Schritte weiter und sah ein Funkeln von Sonnenlicht auf Metall und Glas eine scheinbar unvorstellbar weite Strecke

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