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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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entfernt hinter einer Kurve flacher Dünen. Er konnte hören, wie der Motor aufheulte, noch während er durch den nassen Sand darauf zu sprintete und mit einem fast unbeteiligten Sinn für Einzelheiten wahrnahm, daß die Flut zu kommen schien; das Wasser bedeckte bereits die Reifenspur zum Meer hin und machte den befahrbaren Streifen des sonnengebackenen Strands zunehmend schmaler. Nach zwei Dritteln des Weges keuchte er so sehr, daß er das höhere Brummen eines Schnellboots gar nicht hörte, bevor er es sah, wie es weiße Gischt aufwirbelnd um die Nordostspitze der Insel geschossen kam. Mindestens fünf dunkle Gestalten mit Gewehren waren zu sehen. Saul rannte noch schneller, seine Stiefel spritzten Wasser hoch, als er in die Gischt unmittelbar vor der Cessna lief. Wenn das Flugzeug jetzt mit dem Startmanöver beginnen würde, stünde Saul vor der Wahl, entweder ins Wasser zu springen oder sich von dem Propeller in zwei Teile zerschneiden zu lassen.
    Er war zehn Meter von dem Flugzeug entfernt, als drei kleine Sandwölkchen unter der linken Tragfläche emporspritzten; ein seltsamer Anblick, als würde ein vergrabenes Sandlebewesen oder ein grabender Sandfloh auf ihn zu kommen. Eine Sekunde später hörte er das peitschende Tack-tack-tack von Schüssen. Das Schnellboot war zweihundert Meter entfernt, durchaus in Schußweite. Saul vermutete, daß lediglich der rauhe Seegang und die Geschwindigkeit die Zielgenauigkeit des Schützen beeinträchtigt hatten.
    Die linke Tür wurde geöffnet, als Saul die letzten zwanzig Schritte lief, von der Verstrebung auf den Passagiersitz sprang und schweißgebadet darauf sank. Noch während er durch die Tür hereinstürzte, setzte sich das Flugzeug in Bewegung und rollte schlingernd und schwankend den schmalen Streifen des Strands entlang, während Natalie sich bemühte, die schlagende Tür zuzumachen. Hinter ihnen hörte man das blecherne Klatschen einer Kugel, die auf Metall traf, worauf Meeks fluchte, etwas an einer der oberen Kontrollen drehte, den Schubregler voll zurückzog und sich mit dem vibrierenden Steuerknüppel abmühte.
    Saul richtete sich auf und sah durch die Windschutzscheibe, als die Cessna gerade das Ende des Strands erreichte, ohne sich in die Luft zu erheben, und von der Sandstartbahn über den Salzwasserablauf und die schmalen Bäche dröhnte. Vor ihnen auf der Westseite befanden sich scharfkantige Steine und niedrige Vegetation.
    Neunzig Zentimeter Luft unter ihnen entschieden alles. Der rechte Reifen spritzte einmal Gischt auf, dann waren sie in der Luft, verfehlten die Felsen um nicht einmal dreißig Zentimeter und kippten nach rechts über die Wellen, wahrend sie auf sechs Meter stiegen, dann zehn. Saul sah nach rechts und erblickte das Schnellboot, das immer noch wild hüpfend auf sie zugerast kam. Mündungsfeuer blitzte direkt in Sauls Augen.
    Meeks trat hart auf die Pedale und zog den Steuerknüppel zurück und wieder nach vorn, worauf die Cessna nach links absackte, einen seltsam schlitternden Halbkreis beschrieb und zwei Meter über den Wellen dahinbrauste, während Meeks sich bemühte, den Schutzwall der Westspitze und der Bäume zwischen sie und das Schnellboot zu bringen.

Saul, der immer noch nicht angeschnallt war, stieß sich den Kopf am Dach an, prallte von der unverriegelten Tür ab und hielt sich an Sitz und Armaturenbrett fest, damit er nicht auf den Piloten und den Steuerknüppel fiel.
    Meeks seufzte und kippte so scharf nach rechts, daß Saul den dunklen Schatten eines Manta direkt unter sich drei Meter unter der Wasseroberfläche erkennen konnte. Er hätte die Entfernung zwischen Tragflächenspitze und den Wellen mit dem Unterarm abmessen können.
    Sie nivellierten und flogen nach Westen, ließen Insel und Boot hinter sich zurück, blieben aber so tief unten, daß man ein Gefühl für die Geschwindigkeit bekam, während sie auf über hundertfünfzig Stundenmeilen beschleunigten. Saul wünschte sich, die Cessna würde über ein einziehbares Fahrgestell verfügen, und kämpfte gegen den Drang, die Füße vom Boden zu heben. Meeks hielt den Steuerknüppel mit den Knien fest, während er ein rotes Taschentuch aus der Tasche holte und sich lautstark die Nase schneuzte.
    »Wir müssen den ganzen Weg bis zum privaten Landeplatz meines Freundes Terence in Monck’s Corner fliegen, dann Albert anrufen und ihn diesen alternativen Flugplan abspeichern lassen«, sagte Meeks, »falls sie die so weit nördlich gelegenen Küstenhäfen auch überprüfen.

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