Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
Vom Netzwerk:
Wenn die Banditos Don Abraám nicht glaubten, dann war für uns alle die Reise hier zu Ende.
    Dass er ihnen Bescheid gebe, wenn er wieder gute Ware habe, hörte ich den Patron die Banditos anlügen. Qualvolle Minuten verstrichen, bevor ihn die Banditos weiterfahren ließen. Ein erleichtertes Raunen ging durch unseren Sack.
    »Eine Gedenkminute für die verlorenen Genossen!«, forderte Esteban, als der Pick-up wieder ruhig über die Straße schnurrte. Dabei drängelte er sich aus der sicheren zehnten Reihe zu uns nach oben.
    »Genossen! Wenn ich das Wort schon höre, kräuselt sich mir die Haut!«, zischte christobal, spuckte vor Esteban dreimal auf den Boden und rief dann: »Eine Gedenkminute für die Gefährten!«
    Während alle im Schweigen verharrten, schwor ich, alles dafür zu tun, dass wir auf dieser Reise so wenig wie möglich verlieren würden. Die nächste Stunde verging mit Kondolenzbesuchen bei den Angehörigen. Dann wichen langsam Schock und Trauer, und beim einen und anderen blitzte schon wieder Abenteuerlust auf. Diego, natürlich, ganz vorne mit dabei.
    »Kriegen wir am Hafen noch mal Ausgang?«, wollte er wissen. »Die Weiber dort sollen erste Sahne sein!«
    Diego! Sein Kaffeestrauch hatte in der Nähe der Hütte gestanden mit freiem Blick auf den Fernseher. Verseucht von zu vielen Telenovelas, kannte er nur ein Thema: wilde Weiber.
    »Nichts da! Alles zu seiner Zeit«, knurrte ich, erwähnte aber unvorsichtigerweise die Perlböhnchen aus Indien, von denen mir Don Abraám erzählt hatte.
    Wir erreichten den Hafen von Puerto Barrios ohne weitere Zwischenfälle. Wieder wurden wir durchgerüttelt, durch die Lüfte geschleudert und mit anderen Säcken dicht an dicht in einem Container aufeinander gestapelt. Als das Stöhnen und Meckern im Sack kein Ende nehmen wollte, erinnerte ich alle an das Schicksal der Tchibonis, die diese Reise unter wesentlich schlechteren Bedingungen antraten: zusammengequetscht wie Heringe, keine freie Platzwahl, mit Fungiziden begast und so weiter.
    Durch ein kleines Jutefenster flüsterte mir der Don zum Abschied weitere Ratschläge zu. »Und erinnere die Gringos daran, dass sie sofort das Geld schicken« war das Letzte, was er sagte, bevor sich die Containertür schloss.
    Ab hier reisten wir ohne den Patron weiter, ab jetzt waren wir ganz auf uns alleine gestellt. Mit sattem, schwerem Brummen startete der Motor des Ozeanfrachters. Unter lautem Tuten verließ er den Hafen. Vierundzwanzig Tage lang würden wir durch unseren Jutesack auf andere Jutesäcke oder auf die Wände des Containers starren. Wochenlang waren wir nun dem Meer ausgeliefert, seinen Launen und seinem Einerlei. Stürmischer See genauso wie spiegelglatten Wellen.
    Wir wählten tatsächlich einen Sprecherrat, bestehend aus Christobal, Esteban, Diego und mir. Als Erstes entschieden wir, Kundschafter auszuschicken, um zu erfahren, wer in unseren Nachbarsäcken wohnte. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Neuigkeit, dass die Perlböhnchen aus Indien direkt neben uns lagen. »Wieso sollen die denn in unserem Schiff sein?«, meldete Esteban Zweifel an. »Von Indien aus führt die Route übers Rote Meer nach Europa, niemals würde man den viel längeren Weg über den Panamakanal nehmen!« Im Prinzip habe er Recht, stimmten ihm die Kundschafter zu. Nur ausnahmsweise, wegen seltener Ware von den Fidschi-Inseln, nehme das Schiff diese Route. »Jungs, wir haben echt Glück! Diese Perlböhnchen ... Glatt und rund sind sie, echte Paradenia, Robusta-Böhnchen vom Feinsten«, berichteten sie mit leuchtenden Augen, und ich sah, wie Diego neben mir schon die Brust und noch was anderes anschwoll. »Schön wie Prinzessinnen sind sie«, fuhren die Kundschafter fort, »leider auch ziemlich eingebildet. Mit guatemaltekischen Bauernlümmeln – ja, so haben sie uns wirklich genannt – wollen sie nichts zu tun haben.
    Die Empörung in unseren Reihen war groß, ich versuchte die Wogen zu glätten »Jungs«, sagte ich. »Spätestens nach dem Rösten werden wir mit ihnen gemischt. Dann können wir ihnen zeigen, wie man bei uns den Tango tanzt. Wie Wachs werden sie sein in unseren Händen.« Aber das Rösten war noch lange hin, und das Murren nahm kein Ende. Um es zum Verstummen zu bringen, erzählte ich wieder vom gelobten Land.
    »Daun liegt in einer kleinen Mulde, umgeben von Wald und Wiesen, über die sommers wie winters ein frischer Wind pfeift. Drei Seen umkränzen den Ort. Sie sind aus Vulkanen entstanden, rund wie Kreisel, tief

Weitere Kostenlose Bücher