Kramp, Ralf (Hrsg)
nicht.«
»Mehr nicht«, seufzte Vera Scheuch. Und Jörg Hüllen setzte hinzu: »Meine Güte, die sind wirklich voll vor die Pumpe gelaufen.«
Das gelobte Land
B RIGITTE G LASER
Es war am Abend vor der Reise, wir lagerten schon in Jutesäcken, als mich Don Abraám unter all den Bohnen herauspickte und vor sich auf den Tisch unter der großen Veranda legte.
»Pablo«, sagte er, »du bist die cleverste Kaffeebohne, die ich kenne. Deshalb wird es deine Aufgabe sein, den wilden Haufen heil ins gelobte Land zu führen.«
Cleverste Kaffeebohne
, gefällt mir, dachte ich, während Don Abraám von einem Gringo-Land auf der anderen Seite des großen Teiches erzählte, das Eifel hieß.
»Die Luft besser als bei uns im Nuevo Oriente, das Wasser reiner als das des Río Motagua«, schwärmte Don Abraám. »Die Eifel, das ist euer gelobtes Land!«
Kann nicht sein! Es gab nichts Schöneres als die Kaffeeplantage von Lampocoy. Aber, ehrlich gesagt, mehr von der Welt hatte ich bisher auch noch nicht gesehen.
»Ihr seid edle Arabica-Bohnen, echte Catuai, ihr habt euren Preis! Es ist das erste Mal, dass ich mit den Gringos aus der Eifel Geschäfte mache, es soll nicht das letzte Mal sein. Ihr müsst in der Dauner Kaffeerösterei einen guten Eindruck machen«, erklärte er mir. »Also, passt auf, dass ihr wirklich sortenrein dort ankommt! Nehmt auf keinen Fall irgendwelche dahergelaufene Tchibonis auf! Lasst euch nicht von Banditos verschleppen! Hütet euch vor Wasser und Schimmel und vor allem vor der Armadeira!«
Das Letzte verstand ich nicht. Tchibonis, Banditos, alles klar. Aber die Armadeira? Don Abraám erklärte es mir. Er trichterte es mir ein, er beschwor mich, er warnte mich, er mahnte mich zu ständiger Wachsamkeit.
»Wenn sich eine bei euch einspinnt, seid ihr verloren!«, prophezeite er düster. Er war so bekümmert, wie ich ihn noch nie erlebt hatte.
»Macht Euch keine Sorgen, Patron«, beruhigte ich ihn, als er mich in den Sack zurücklegte. »Wir Catuai sind hart im Nehmen. Ich werde die Bande schon heil in die Eifel bringen!«
»Ich verlass mich auf dich, Pablo. Ja, ich verlass mich auf dich«, wiederholte er in einem fort, während er mit seinen Bauernhänden den Sack zunähte.
Ich quetschte mich auf meinen Platz zwischen Diego und Christobal, die schnarchten, wie nur Catuai-Bohnen schnarchen konnten. Ich aber fand keinen Schlaf. All das, was der Patron mir erzählt hatte, spukte in meinem Kopf herum. Die Last der Verantwortung drückte schwer. Hinter der Kaffeeplantage strichen die Leoparden im Wald herum, in den Palmen vor Don Abraáms Hütte rauschte der Nachtwind. Vertraute Geräusche, die ich seit meiner Blütezeit kannte. Heute beruhigte mich weder das eine noch das andere. Die letzte Nacht in Guatemala, dachte ich, und keiner von uns wird die Heimat je wiedersehen ...
Am nächsten Morgen – ich musste doch tatsächlich noch eingenickt sein – weckte mich ein kräftiger Ruck. Unser Sack wurde hochgehoben und wir alle kullerten wild durcheinander.
»Bohnen!«, brüllte ich in das Chaos hinein. »Alles hört auf mein ...!« Ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, denn weiteres Ruckeln und Schaukeln ließ uns herumkullern und aufstöhnen. Hart landete der Sack auf dem Metallboden des Pick-up. Als Don Abraám kurz darauf den Wagen startete, herrschte immer noch völliges Chaos. »Seht zu, dass ihr zurück an euren Platz kommt«, befahl ich, während der Don ein letztes Mal für die Patrona hupte und dann Gas gab. Er hatte mir gestern Abend gesagt, dass er uns selbst nach Puerto Barrios fahren würde. »Die Banditos, Pablo, du verstehst?«
»Schubst und drängelt nicht«, schrie ich, während der Don in einem Affenzahn den Berg hinunterkurvte. »Und hört auf, herumzumeck...!« Meine Stimme wurde von einer Dieselwolke erstickt. Der ganze Sack hustete und röchelte, und es dauerte, bis Ruhe einkehrte.
»Wieso sollen wir auf dein Kommando hören?«, fragte Esteban misstrauisch, als der Don den Wagen in der Ebene über ein Stück frisch geteerter Straße steuerte.
Esteban! Der stammte von einer Kaffeepflanze links außen und hatte in seinem Bohnenleben die Nase in zu viel frischen Wind gehalten. Alles, wirklich alles musste er hinterfragen. Ein Klugscheißer war er.
»Befehl von ganz oben«, erklärte ihm mein bester Kumpel christobal. Wir hatten zusammen am gleichen Strauch gehangen und Freud und Leid miteinander geteilt. Hervorragender Stratege, übrigens. Wenn es zum Kampf käme, würde er
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