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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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übers Gesicht.
    »Dark?«
    Keine Antwort.
    » Dark !«
    Hektisch platschte die Kleine ums Auto herum, rüttelte angstvoll an
der versunkenen Fahrertür.
    »Dark, mach keinen Scheiß, du musst da raus! – Oh Gott!«
    Sie hielt sich die Nase zu, tauchte wieder ins schlammige Wasser ab.
Es dauerte endlose Sekunden, bis sie die Fahrertür endlich aufbekam. Hastig
packte sie den Jungen am Kragen, zerrte ihn aus dem Auto und tauchte mit
bleichem Gesicht wieder auf.
    »Oh shit«, keuchte sie
atemlos und zog den Jungen ins Flache. »Dark, alles klar?«
    Nicht wirklich. Der Junge würgte Wasser hervor, und an seiner Stirn
war eine tiefe Platzwunde. Benommen lehnte er am Wagen. »Was ‘n passiert?«
    »Keine Ahnung«, flüsterte das Mädchen zitternd, »offenbar sind wir
mit dieser beschissenen Karre baden gegangen.«
    »Dann brauchen wir ‘n Boot«, murmelte Dark und sank mit weichen
Knien zurück in die Fluten.
    » Dark !«, schrie das Mädchen
erschrocken, zog ihn wieder hoch und schüttelte ihn. »Hey, Mann, komm zu dir,
okay? Das ist kein beschissener Trip hier, das ist … verdammte Realität – oh
shit  …«
    Dark war ohnmächtig geworden. Das Mädchen schleppte ihn keuchend die
Böschung hoch.
    »… ich hol Hilfe, okay? Ich, ich …« Sie legte ihn ins feuchte Gras
und strich ihm liebevoll über die Stirn. »Halte durch, Dark! Ich guck mal, ob
ich Hilfe finde, ja?« Besorgt sah sie sich um. Es schüttete wie aus Kannen, und
sie hatte keine Ahnung, wo sie waren.
    »Ich guck mal, ob ich Hilfe finde«, wiederholte sie flüsternd,
richtete sich auf und schloss zitternd den Reißverschluss ihrer Lederjacke. Die
hatte sich vollgesogen wie ein Schwamm und wog mindestens drei Kilo.
    »Mach keinen Scheiß, Dark, okay? Bin gleich wieder da.« Das Mädchen
stolperte zurück auf die Straße.
    Kein Auto zu sehen. Aber etwas weiter links sah man ein Licht.
Feuerschein, ganz deutlich, verdammt, da brannte etwas, da stand ein ganzes
Haus in Flammen! Aber wo es brannte, war auch die Feuerwehr nicht weit. Das
Mädchen rannte los.
    »Hallo«, rief es, »hallo, ist da wer?«
    Sie lief querfeldein, rutschte ein paarmal auf der feuchten Wiese
aus, rappelte sich wieder auf. Das Feuer kam von einem Gehöft, einem Bauernhof
oder so was. Deutlich zeichnete sich im Feuerschein ein weiteres Gebäude ab.
    »Hallo«, schrie das Mädchen wieder, »ist hier jemand?« Sie fand die
Zufahrt, lief auf den Hof. Hier war es furchtbar heiß, krachend und knisternd
brach der Dachstuhl des brennenden Wohnhauses in sich zusammen
    Das Mädchen wich etwas zurück, starrte hilflos auf die prasselnden
Flammen.
    Was war hier passiert, verdammt?
    Plötzlich Musik. Sie kam aus der Scheune.
    Atemlos stieß das Mädchen das Tor auf, strich sich die feuchten
Haarsträhnen aus der Stirn und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den
Mann, der tot im Raum hing.
    Dann gellte ein Schrei des Entsetzens über den brennenden Hof.

 
     
     
     
     
    1    SO VIEL STAND FEST: Berlin war wieder Weltstadt. Der Big
Apple Europas, die Metropole der Zivilisation, und deshalb hatte sich Heini
Boelter für teures Westgeld schwarz-weiß karierte Zierstreifen für seine
Wolgataxe »jekooft«.
    International war das üblich. Vor dem Krieg hatten auch die Berliner
Droschken diese schwarz-weißen Karos an den Seiten, das war sozusagen der
kosmopolitische Code des Taxigewerbes, und Heini Boelter wollte ein kosmopolitischer
Taxifahrer sein. Wie der Eiserne Gustav. Bloß dass er seine Fahrgäste heute
nicht mehr nur nach Paris chauffierte, sondern gleich nach New York – via
Berlin-Tegel! Sein Wolga sah mit den Karostreifen auch gleich viel schicker,
amerikanischer aus. Komisch, dass die Westtaxen das nicht hatten, aber egal,
Schnecke dürfte beeindruckt sein. Und da heute nicht viel los war, die üblichen
Witwenfahrten zum Friedhof waren erledigt, hatte sich Heini Boelter die
nagelneue Lederjacke übergezogen, die Haare sorgsam mit Pomade zur
Rockabilly-Ente geformt und im Rückspiegel sein lässiges Elvisgrinsen
perfektioniert. Die grauen Strähnen an den Schläfen wurden mehr, aber –
Herrgott! – Heini Boelter war Ende vierzig, da waren andere froh, wenn sie
überhaupt noch Haare hatten. Er dagegen hatte ‘ne richtig volle Tolle, graue
Strähnen hin oder her.
    Gut gelaunt legte Heini Boelter die Kassette in das nagelneu
eingebaute Blaupunktradio ein und drehte die Lautstärke auf: »A little less
conversation«, dröhnte es aus den Boxen, »a
little more action, please!

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