Kreuzberg
meine
Übungen besser, um mich wieder wie ein Mensch zu fühlen.« Sie lacht auf.
Seltsam fröhlich, wie ein Kind.
»Das
Krankenhaus«, sie zeigt verächtlich auf den am Boden liegenden Schmittke, »hat
er jetzt wohl nötiger.«
Tatsächlich
ist Schmittke übel zugerichtet worden. Wimmernd liegt er in seinem Blut,
zusammengeschlagen und ohne Zähne.
Inga Lenz
hat ganze Arbeit geleistet.
In
seinem Gerichtsverfahren wird er sie später deshalb der schweren
Körperverletzung bezichtigen. Zeugen gibt es nicht. Anke Cardtsberg und Inga
Lenz schweigen dazu, und ich habe nichts gesehen. Es steht Aussage gegen
Aussage, und Inga Lenz wird von den Vorwürfen freigesprochen.
Schmittke
dagegen wird verurteilt. Vorsätzliche Körperverletzung und Vergewaltigung in
sieben Fällen. Dazu Amtsmissbrauch und Vertuschung von Straftaten. Das Gericht
stellt fest, dass er im Zuge der Ermittlungen gegen den vermeintlichen
Golgatha-Täter DNA -Proben unbrauchbar gemacht und Zeuginnen
manipuliert hat, um von sich abzulenken. Einige der ohnehin schon schwer
geschädigten Opfer hat er so unter Druck gesetzt, dass sie schwerste psychische
Traumata davongetragen haben. Andere Opfer zogen später ihre Anzeige zurück.
Als Inga
Lenz den Park am Freitag abriegeln ließ, dies wurde in der Verhandlung
ebenfalls festgestellt, hatte sich Schmittke ebenfalls dort aufgehalten. Er war
zunächst in den Hof des Yoga-Instituts geflüchtet, hatte sich dann aber seinem
Ermittlerteam anschließen können, ohne Verdacht zu erregen.
Zur
Motivation der Überfälle gab Schmittke an, dass er sich nur geholt habe, was er
brauche. Unsere Gesellschaft kranke an der Dominanz des Weiblichen. Männer
hätten keine Möglichkeit mehr, sich zu entfalten. Von frühester Kindheit an
würden sie weiblich beeinflusst. Er nannte dazu Beispiele aus seinem eigenen
Leben: Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter habe er nie Gelegenheit gehabt,
ein richtiger Mann zu werden, da ihm entsprechende Vorbilder gefehlt hätten.
Seine ganze Kindheit und Jugend habe er nur mit Frauen zu tun gehabt.
Erzieherinnen, Lehrerinnen, niemals einen Lehrer. Der einzige Freund, den er
hatte, zog nach Heirat weg und meldete sich nie wieder. Schmittke war
überzeugt, dass es an dessen Frau lag.
Und
schließlich seine Vorgesetzte Inga Lenz. Die sei doch in der gesamten Berliner
Polizei als Kampflesbe bekannt. Wie hätte er, Martin Schmittke, unter solchen
Umständen je ein normales Verhältnis zu Frauen aufbauen können?
Das Gericht
verurteilte ihn rechtskräftig zu sechs Jahren Haft ohne Bewährung und ordnete
eine psychiatrische Behandlung an.
EPILOG
Am 21. August 1991
werden in Moskau die Putschisten zur Aufgabe gezwungen. Große Teile des
Militärs sind zuvor dem Aufruf des in Deutschland bis dato völlig unbekannten,
aber sehr mutigen Präsidenten der Russischen Föderativen Sowjetrepublik, Boris
Jelzin, gefolgt und haben sich unter dessen Kommando begeben. Damit ist die
Junta des selbst ernannten »Komitees für den Ausnahmezustand« ihrer
militärischen Macht beraubt. Die Mitglieder des Komitees werden verhaftet,
Innenminister Pugo begeht Selbstmord.
Gorbatschow
kehrt in sein Amt zurück, muss aber an Jelzin weitreichende Vollmachten
abgeben. Nächtelang feiern die Menschen in Moskau den Sieg ihrer jungen
Demokratie.
Berlin
atmet auf.
In den
Cafés und Kneipen wird wieder musiziert, die Menschen gehen tanzen, und das
Golgatha veranstaltet anlässlich der Ergreifung des »Sextäters vom
Viktoriapark« eine »Riesenweiber-Night« samt prächtigem Feuerwerk.
Hünerbein
wird noch im August zum Ersten Kriminalhauptkommissar unserer Abteilung
befördert und feiert dies mit einer rauschenden Party bei Enzo im L’Emigrante.
Ich bleibe,
was ich bin, Zweiter Kriminalhauptkommissar, werde aber von Hünerbeins neuer
Flamme, Catherine Hirondeau, mit einem edlen, in Leder gebundenen Band über die
Geheimnisse der Astrologie sowie einem prächtigen Wickeltisch entschädigt. Für
Letzteren scheinen sich Melanie und ihr schwarzer Tarzan Boy auffällig zu
interessieren. Ein Umstand, der mir wochenlang schlaflose Nächte bereitet.
Siggi
muss wieder zurück in die JVA Tegel. Seine Haftstrafe wird
nicht verlängert, auf weitere Freigänge muss er aber fortan verzichten.
Gern
brüstet er sich damit, die Flucht von HVA -Chef Markus »Mischa« Wolf
aus Moskau organisiert zu haben, der in Österreich Asyl beantragt hat.
Siggis
Anwalt Heribert Naumann wird im Oktober 1991 wegen dreifachen Mordes
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