Kreuzstich Bienenstich Herzstich
streicheln, während der Rüde seine Schnauze tief in ihren Schritt bohrte.
»Gewöhn dem Köter doch mal dieses Verhalten ab, ist ja widerlich«, schimpfte Irmi. »Letzte Woche war Frau Bertsch-Baierle vom Kirchengemeinderat da. Ich bin tausend Tode gestorben, als er diese Nummer bei ihr durchzog.«
Olga schien sich aber nicht daran zu stören. Mit ihren überlangen, knallrot lackierten Fingernägeln brachte sie Hovawart Onis zum Schnurren, indem sie ihn hinter den Ohren kraulte. Ja, peinlich, aber wahr: Der Rüde schnurrte, wenn er sich beglückt fühlte. An ihm war ein veritabler Kater verloren gegangen.
»Der Radfahrer heute im
Haller Tagblatt,
das war schon der vierte. Tagelang sind die Männer spurlos verschwunden, und plötzlich findet man sie tot auf.« Seifferheld klopfte mit dem Zeigefingergelenk auf die Tischplatte. »Ich bitte dich, Irmi, wer da noch an Zufall glaubt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.«
Irmi zuckte mit den Schultern, nahm den Wischlappen wieder zur Hand und setzte ihre Arbeit fort. »Wenn du meinst, Siggi. Besprich deine Verdachtsmomente doch einfach beim nächsten Stammtisch mit deinen Ex-Kollegen.«
Gar keine dumme Idee, fand Seifferheld. Was er natürlich nicht aussprach. Irmis Ego brauchte keine Bestätigung. Es war ohnehin megalithisch.
Olga war mit dem Durchkraulen des Hundes fertig und vermittelte den Anschein, als wolle sie ihre Krallen jetzt in das dazugehörige Herrchen versenken.
Seifferheld sprang abrupt auf. »Ich muss los«, rief er.
»Wohin denn?«, fragte Irmi. »Der Olaf kommt erst heute Nachmittag zur Physiotherapie. Und du hast ja sonst kein Hobby.«
»Keine Hobby?« Olga wirkte entsetzt. »So eine stattliche Mann und keine Hobby? Keine Sport?« Sie zwinkerte.
Offenbar meinte sie Sport in der Horizontalen und hatte sich selbst als Trainerin im Sinn.
»Ich muss in die Stadtbibliothek«, erklärte Seifferheld, Panik in der Stimme.
»Wozu das denn?«, verlangte Irmi fassungslos zu wissen. Ihr Bruder und Bücher?
»Recherche!«, behauptete Seifferheld.
Und damit zog er sich zügig in Richtung Küchentür zurück, den Hund im Schlepptau. Bevor er ging, drehte er noch den Lautstärkeregler des uralten Blaupunkt-Radioapparats hoch. SWR-Korrespondent Harald Holz kündigte gerade ein Mundarthörspiel an.
»Noch viel Spaß, die Damen!«
»Ich doch hoffen, Sie kommen bald wieder, Herr Siegfried. Wir uns nie genug sehen«, gurrte Olga Pfleiderer und holte obszön tief Luft.
Seifferheld bekam noch mit, wie ihr ein Knopf von der Kittelschürze sprang, dann war er mit seiner Gehhilfe auch schon im Flur und schlug die Küchentür zu.
Flucht geglückt!
Päuschen mit Kläuschen
Die Öffnungszeiten der Stadtbibliothek – nur an Markttagen war schon ab neun geöffnet – zwangen Seifferheld, sich über eine Stunde an einer Tasse Kaffee in SeyfriedsEspressobar festzuhalten, aber wenigstens setzte man ihm dort sehr guten Kaffee vor und keine als Kaffee getarnte ölige Masse à la Irmgard.
Seifferheld saß auf einer der Bänke vor dem Eingang, die Gehhilfe neben sich an die Hauswand gelehnt, Hund Onis unter dem Stehtisch liegend.
»Morgen, Siggi.«
»Guten Morgen, Herr Seifferheld.«
»Grüß Gott, Siegfried.«
Das war wiederum der Nachteil einer Kleinstadt: In Ruhe über seinem Heißgetränk zu meditieren war in der Öffentlichkeit nicht möglich. Obwohl er immer sehr zurückgezogen gelebt hatte und nie ein Vereinsmeier gewesen war, grüßte ihn jeder Dritte und natürlich musste er zurückgrüßen. Aus diesem Grund gingen seine Frauen nie unfrisiert oder in gammeligen Joggingklamotten aus dem Haus, nicht einmal zum Brötchenholen am Sonntagmorgen um acht. Man wusste nie, wer einen sah.
Einer ging jedoch nicht an Seifferheld vorbei, sondern pflanzte sich neben ihn. »Na, Alter, Lust auf ein Päuschen mit Kläuschen?«
Eine undefinierbare Geruchswolke umhüllte Seifferheld. Onis hob den Kopf und schnupperte.
»Wollen wir italienisches Lebensgefühl genießen?« Klaus strahlte. »Ach, ein Hoch auf die Kaffeehausbetreiber, die auch im Herbst al fresco servieren.«
Klaus lächelte die hübsche Brünette an, die herausgelaufen kam, um ihn nach seinen Wünschen zu fragen. »Dasselbe wie immer?«
»Dasselbe wie immer! Never change a winning cappuccino«, gurrte Klaus.
Klaus war von Beruf Sohn. Und das auch noch mit Mitte vierzig. Irgendwie hatte er nie so recht den Sprung ins richtige Leben geschafft und ließ sich von seinen Eltern – die Seifferheld noch nie
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