Kreuzzug
Bundeswehr unterlaufen sind, und damit ist Ihr forscher Ton wohl alles andere als gerechtfertigt. An Ihrer Stelle wäre ich ganz still.«
Dann stürmte sie ins große Besprechungszimmer, in dem der erweiterte Krisenstab saß und auf den Bildschirmen die TV -Berichterstattung und die behördeneigenen Live-Bilder von der Zugspitze verfolgte. »Ich will wissen, wie Menschen in unserem höchsten Berg verschwinden können!«, blaffte die Kanzlerin in die Runde. »Wir geben jährlich Milliarden für die Erforschung des Weltraums und der Tiefsee aus und wissen nicht, wie es in der Zugspitze aussieht?«
Der Staatssekretär des Innern nahm sich vor, einen Referentenentwurf für ein entsprechendes Forschungsvorhaben ausarbeiten zu lassen und als Projekt in den nächsten Haushalt einzubringen.
Kapitel hundertachtunddreißig
Eibsee-Hotel , 16 Uhr 03
T hien wurde von zwei Gebirgsjägern durch die Gänge des Eibsee-Hotels geführt. An jeder Ecke standen schwerbewaffnete SEKler und Soldaten der Bundeswehr. Wie in einem Hochsicherheitstrakt sah es in der feudalen Herberge aus. In der Tat war diese innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden auch in einen solchen verwandelt worden.
Vor dem Konferenzraum »Forelle« blieb die Dreiergruppe stehen, und einer der Soldaten klopfte an. Die Tür wurde von innen entriegelt und Thien in einen Raum eingelassen, in dem man die Luft hätte schneiden können.
Die gut zehn Männer waren seit einem Tag und einer Nacht im Dauereinsatz. Die Klimaanlage mühte sich vergebens ab, die Luft im Raum aufzufrischen. Doch verglichen mit dem Gestank im Tunnel , den Thien den Rest seines Lebens nicht vergessen würde, roch es in diesem Raum wie in einer Parfümerie zwei Tage vor Weihnachten.
Hans-Dieter Schnur wusste sofort, wer der Besucher des Krisenstabs war. »Herr Baumgartner. Danke, dass Sie sich zur Verfügung stellen. Geht es Ihnen gut?«
»Passt scho. Bisserl müde«, antwortete Thien wahrheitsgemäß. Er fühlte sich sehr gut, denn er hatte die Geiselnahme überlebt. Aber er hatte nur ein paar Stunden geschlafen.
»Müde sind wir alle. Bitte konzentrieren Sie sich noch ein paar Minuten. Wir brauchen Ihre Kenntnisse.«
»Passt scho«, wiederholte er.
»Also. Zunächst zu den Geiselnehmern. Ist es richtig, dass es zehn waren, wie uns Kapitän Dembrowski mitteilen konnte, bevor sie … Na, Sie wissen schon.«
»Ich weiß. Ich musste es mit ansehen. Die arme Frau.« Und schon ging es Thien weniger großartig. »Also – zwei im Zug, zwei in den MG -Nestern vor und hinter dem Zug, der Anführer, der den Segelflugschein gemacht hat, und fünf andere. Damit komme auch ich auf zehn.«
Hans-Dieter Schnur hielt alles an einem Flipchart fest. »Dazu zwei, die Denninger ausgeschaltet hat. Macht zwölf. Und der Mann, der draußen sitzt. Macht dreizehn. Stimmt das mit Ihrem peruanischen Arbeitstrupp überein, Herr Falk?«
August Falk nickte nur. Er hatte sich längst damit abfinden müssen, dass seine Saisonarbeiter die Terroristen waren.
Hans-Dieter Schnur wandte sich wieder an Thien. »Bewaffnung?«
»Maschinenpistolen. Solche, wie sie Polizisten am Flughafen spazieren tragen.«
Schur hatte die üblichen Modelle auf einem Powerpointchart zusammengestellt und warf die Bilder über den Beamer an die Wand: Uzi, Kalaschnikow, Heckler & Koch MP 5 .
»Ja, genau dieses Teil da.« Thien deutete auf die MP 5 .
»Gut. Weitere Details: Aussehen, Größe, besondere Merkmale?«
»Alle sehr klein und schmal. Dunkle Augen. Einer hat mal Spanisch gesprochen.«
»Indios«, stellte Schnur fest.
»Menschen indigener Herkunft«, berichtigte Thien. »Der Ausdruck Indio ist chauvinistisch.«
»Verzeihen Sie, Herr Baumgartner, wir sind nicht chauvinistisch, wir haben nur wenig Zeit. Aber ich verstehe, dass Sie das besonders stört.«
»Mich? Wieso?«, wunderte sich Thien. »Ich bin Partenkirchner.«
Hans-Dieter Schnur wusste alles über die Herkunft seines Zeugen. Das Dossier über ihn war vor einer halben Stunde aus Wiesbaden bei ihm als E-Mail eingegangen. Er hob die Augenbrauen. »Nun gut. Partenkirchner. Wie Sie wünschen.«
»Diese Männer sind skrupellos«, fuhr Thien fort. »Sie haben einen Mann erschossen. Einfach so, weil er einmal den Mund aufgemacht hat. Das heißt, der Anführer der Geiselnehmer hat das getan. Der war ein bisschen irre, wenn Sie mich fragen. Aber der liegt ja drüben im Geröllfeld.«
»Wir bergen ihn, wenn wir den fehlenden Mann haben. Und nun zu den beiden Amerikanern.
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