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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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sein mußte, redete Peter streng an.
    »Mein Herr, gehen Sie aus dem Wege! Hier können Sie nicht bleiben!«
    Auch die Soldaten blickten Peter anfangs mißfällig an, aber als sie sahen, daß dieser Mensch mit dem weißen Hut nichts Böses tat, sondern friedlich an einer Ecke des Walles saß oder mit schüchternem Lächeln jedem aus dem Wege ging und in der Batterie so ruhig umherspazierte wie auf der Promenade, ging ihre mißfällige Verwunderung in eine humoristische Freundlichkeit über, ähnlich derjenigen, welche die Soldaten für Hunde, Hähne, Ziegen und andere Tiere zeigen, die sich ihnen anschließen. Sie nahmen Peter in ihre Familie auf, gaben ihm den Zunamen »unser Barin«, unser Herr, und lachten über ihn. Zwei Schritte von Peter riß eine Kanonenkugel die Erde auf, er schüttelte die Erdschollen von sich und blickte sich lächelnd um.
    »Und Sie fürchten sich nicht, Herr?« fragte ein breitschulteriger Soldat mit rotem Gesicht, seine weißen Zähne zeigend.
    »Fürchtest du dich denn?« fragte Peter.
    »Nun, natürlich«, erwiderte der Soldat. »So ein Ding verschont nichts! Wenn es in den Leib fährt, wirft es die Eingeweide heraus. Wie sollte man sich nicht fürchten?« sagte er lachend.
    Einige Soldaten sahen ihn vergnügt an. Sie schienen nicht erwartet zu haben, daß er ebenso spreche wie alle, eine Entdeckung, über die sie erfreut waren.
    »Wir sind Soldaten, aber so ein Herr – das ist doch merkwürdig!«
    »An die Geschütze!« schrie der kleine Offizier den Soldaten zu, die sich um Peter sammelten. Er schien zum erstenmal zu kommandieren und beobachtete daher eine ganz besondere Pünktlichkeit.
    Das Geschütz- und Gewehrfeuer verstärkte sich auf dem ganzen Feld, besonders links hin bei den Verschanzungen Bagrations. Peter stand am Rande des Grabens und beobachtete das Treiben in der Batterie. Um zehn Uhr waren schon zwanzig Mann fortgetragen worden, zwei Geschütze waren außer Gefecht gesetzt und immer häufiger fielen Geschosse in die Batterie. Aber die Soldaten schienen es nicht zu bemerken und unterhielten sich mit heiteren Scherzreden.
    »Du da«, rief ein Soldat, »nicht hierher! Geh dort zur Infanterie!«
    »Ist es eine Bekannte?« fragte lachend ein anderer Soldat seinen Kameraden, der sich vor einer vorüberfliegenden Granate tief verneigt hatte.
    Einige Soldaten blickten über den Wall hinüber.
    »Die Kette ist zurückgezogen, siehst du!« sagte der eine.
    »Kümmert euch um euch!« rief ihm ein alter Unteroffizier zu. »Wenn sie zurückgegangen sind, so haben sie wahrscheinlich hinten etwas zu tun.«
    »Ach, unserem Barin hätte es beinahe den Hut abgerissen!« sagte lachend ein Spaßvogel.
    »Ach, wie ungeschickt!« rief ein anderer vorwurfsvoll einer Kanonenkugel zu, welche ein Rad zerschlagen und einem Kanonier ein Bein abgerissen hatte. »Nun, ihr Füchse«, rief ein anderer den Landsturmleuten zu, welche den Verwundeten abzuholen kamen, »das ist wohl nicht nach eurem Geschmack?« – Um zehn Uhr zog sich die Infanterie zurück, welche vor der Batterie im Gebüsch und an dem Flüßchen Kamenka gelegen hatte. Von der Batterie aus konnte man sehen, wie sie nach rückwärts vorüberliefen und auf den Gewehren die Verwundeten trugen. Ein General kam mit seiner Suite in die Batterie, sprach mit dem Obersten und blickte Peter zornig an. Dann ging er wieder den Hügel hinab, nachdem er der Bedeckung befohlen hatte, sich niederzulegen, um sich den Schüssen weniger auszusetzen. Dann hörte man Trommelschläge und Kommandorufe bei der Infanterie, rechts von der Batterie, und man sah, wie die Infanterie sich wieder vorwärts bewegte. Peter blickte über den Wall. Die Reihen der Infanterie verschwanden im Rauch. Man hörte ihr gedehntes Geschrei und hastiges Schießen. Nach einigen Minuten kamen Verwundete vorüber und andere wurden auf Tragbahren getragen. Noch häufiger fielen Geschosse in die Batterie, wo einige Tote lagen. Die Soldaten arbeiteten noch lebhafter an den Geschützen. Niemand achtete mehr auf Peter. Zweimal wurde er heftig angeschrien, weil er jemand im Wege war. Der alte Offizier ging mit finsterem Gesicht und großen Schritten von einem Geschütz zum anderen.
    Eine drohende Wolke näherte sich. Peter stand neben dem älteren Offizier, und das junge Offizierchen kam mit der Hand am Tschako auf seinen Vorgesetzten zugelaufen.
    »Habe die Ehre, zu melden, Herr Oberst, daß wir nur noch acht Schüsse haben. Befehlen Sie, das Feuer fortzusetzen?« fragte

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