Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
Vom Netzwerk:
umher?« rief wieder jemand.
    »Nach links! – Nach rechts!« rief man ihm zu.
    Peter wandte sich nach rechts. Er traf unerwartet einen Adjutanten des Generals Rajewsky. Dieser wollte Peter eben mit zornigem Blick anrufen, als er ihn erkannte und ihm mit dem Kopfe zunickte.
    »Was machen Sie hier?« fragte er und ritt weiter.
    Peter fühlte, daß er nicht an seiner Stelle war, und da er befürchtete, wieder jemand zu stören, ritt er dem Adjutanten nach.
    »Was geht hier vor? Kann ich mit Ihnen kommen?« fragte er.
    »Gleich! Gleich!« erwiderte der Adjutant und galoppierte auf einen dicken Oberst zu, der auf der Wiese stand, meldete ihm etwas und wandte sich dann nach Peter um.
    »Wie sind Sie hierhergekommen, Graf?« sagte er lachend. »Sind Sie immer noch so neugierig?«
    »Ja, ja«, sagte Peter, aber der Adjutant wandte sein Pferd und ritt weiter.
    »Hier geht's noch an«, sagte der Adjutant, »aber auf dem linken Flügel bei Bagration ist ein entsetzliches Blutbad.«
    »Wirklich?« fragte Peter. »Wo ist das?«
    »Nun, kommen Sie mit mir nach dem Hügel, dort bei uns auf der Batterie ist's noch erträglich«, sagte der Adjutant. »Kommen Sie mit?«
    »Ja, ich komme«, sagte Peter und suchte mit den Augen seinen Reitknecht.
    Hier sah Peter zum erstenmal Verwundete, welche sich zu Fuß wegschleppten, oder auf Tragen fortgebracht wurden. Auf der Wiese lag unbeweglich ein Soldat, dessen Tschako neben ihm lag.
    »Warum hat man diesen nicht fortgebracht?« fragte Peter, aber als er das ernste Gesicht des Adjutanten sah, schwieg er.
    Peter konnte seinen Stallmeister nicht finden und ritt mit dem Adjutanten durch die Niederung nach dem Rajewskyhügel zu. Peters Pferd fing an zu hinken.
    »Sie sind wohl nicht gewohnt zu reiten, Graf?« fragte der Adjutant.
    »Nein, es geht, aber das Pferd stößt sehr«, sagte Peter verwundert.
    »Eh... es ist verwundet«, sagte der Adjutant. »Am rechten Vorderfuß unter dem Knie! Ich gratuliere zur Feuertaufe.«
    Nachdem sie im Rauch am sechsten Korps vorbeigeritten waren, hinter der Artillerie, welche dort aufgestellt war und unter betäubendem Kanonendonner feuerte, kamen sie zu einem kleinen Wald. Im Walde war es kühl und ruhig. Peter und der Adjutant stiegen von den Pferden und gingen zu Fuß auf die Anhöhe zu.
    »Ist hier der General?« fragte der Adjutant die Soldaten.
    »Er war eben hier und ist dort nach rechts hingeritten«, antwortete man ihm. Der Adjutant blickte sich nach Peter um, da er nicht wußte, was er mit ihm machen sollte. »Beunruhigen Sie sich nicht«, sagte Peter. »Ich gehe auf den Hügel! Kann ich?«
    »Ja, gehen Sie nur dahin, von dort aus können Sie alles sehen, und es ist auch nicht so gefährlich dort. Ich werde Sie später abholen.«
    Peter ging zu der Batterie, während der Adjutant weiterritt. Sie sahen sich nicht wieder, und erst viel später erfuhr Peter, daß dem Adjutanten an diesem Tag ein Arm abgerissen worden war.
    Der Hügel, auf welchen Peter zuging, war jene berühmte Stelle, welche später bei den Russen als Hügelbatterie, oder Batterie Rajewsky berühmt wurde, und welche die Franzosen die große Redoute nannten und für den wichtigsten Punkt der Stellung ansahen.
    Die Redoute war auf drei Seiten von Gräben umgeben und enthielt zehn Kanonen. In derselben Linie mit der Batterie standen zu beiden Seiten Kanonen, welche gleichfalls beständig feuerten. Etwas hinter den Kanonen stand Infanterie. Als Peter sich dieser Batterie näherte, ahnte er nicht, daß dieselbe der wichtigste Punkt des Schlachtfeldes war, im Gegenteil, er war der Meinung, daß sie von ganz geringer Bedeutung wäre.
    Als er die Höhe des Hügels erreichte, setzte sich Peter am Ende des Grabens nieder, welcher die Batterie umgab, und mit einem freudig erregten Lächeln beobachtete er, was um ihn her vorging. Zuweilen stand er auf und ging in der Batterie umher. Er bemühte sich, den Soldaten nicht hinderlich zu sein, welche die Kanonen luden und nach vorn schoben oder mit Patronen und Kugeln beständig an ihm vorüberliefen. Die Kanonen dieser Batterie feuerten stets eine nach der anderen unter betäubendem Kanonendonner und hüllten die ganze Umgebung in Pulverdampf. Die Erscheinung der unkriegerischen Gestalt Peters mit dem weißen Hut schien anfangs unangenehmes Erstaunen zu erregen. Ein älterer Artillerieoffizier mit langen Beinen blickte ihn neugierig an. Ein kleines Offizierchen mit rundem Gesicht, fast noch ein Knabe, der eben erst aus dem Kadettenkorps gekommen

Weitere Kostenlose Bücher