Krieg und Frieden
Mitja eigensinnig ...« »Ach, wie er seinem Vater gleicht« unterbrach sie Peter.
Natalie begriff, warum er diese Bemerkung von der Ähnlichkeit zwischen Mitja und Nikolai machte. Die Erinnerung an den Zank mit seinem Schwager war ihm unangenehm und er wollte darüber die Meinung Natalies hören.
»Nikolai hat eine Schwäche«, sagte sie »wenn ihm nicht alle beistimmen, so hört er nichts mehr an.«
»Ja, und was die Hauptsache ist, für Nikolai sind Gedanken und Überlegungen nur Zeitvertreib. Er stellt sich eine Bibliothek zusammen und liest alles durcheinander. Du kennst ihn, wie ich ...« Er wollte seine Worte mildern, aber Natalie unterbrach ihn, wodurch sie andeutete, daß das nicht nötig sei.
»Du sagtest also, Gedanken seien für ihn nur Zeitvertreib.«
»Ja. Für mich aber ist alles übrige nur Zeitvertreib. Ich habe die ganze Zeit über in Petersburg alles wie im Traum gesehen, wenn mich ein Gedanke fesselte, so ist mir alles übrige nur Zeitvertreib, Spielerei.«
»Ach, wie schade, daß ich nicht sah, wie du da vorhin die Kinder begrüßt hast! Welches hat sich am meisten gefreut? Wahrscheinlich Lisa!«
»Ja«, erwiderte Peter und fuhr mit dem fort, was ihn beschäftigte. »Nikolai sagt, wir sollen nicht denken, aber das kann ich nicht. Ich will nicht davon sprechen, daß in Petersburg – dir kann ich das sagen – in meiner Abwesenheit alles zerfiel und jeder nach seiner Seite zog, aber es gelang mir, alle zu vereinigen. Und dann ist auch mein Gedanke so einfach und klar. Ich sage ja nicht, wir sollen diesem oder jenem Widerstand leisten, wir können uns ja irren, sondern ich sage, geht alle Arm in Arm, ihr, die ihr das Gute liebt, und es soll nur eine Fahne geben, die werktätige Jugend. Fürst Fedor ist ein vortrefflicher Mensch und geistreich.«
Natalie zweifelte nicht daran, daß Peters Gedanke großartig sei, aber eins bezweifelte sie, nämlich die Frage, ob er ihr Mann sei. »Kann wirklich ein so wichtiger und für das allgemeine Wohl so notwendiger Mann dabei zugleich mein Mann sein? Wie ist das gekommen?«
»Ich liebe dich schrecklich!« sagte sie plötzlich. »Schrecklich! Schrecklich!«
»Du sprichst von der Trennung, aber du kannst dir nicht vorstellen, welch eigentümliches Gefühl für dich mich nach der Trennung befällt.«
»Nun ja, aber ...« begann Natalie.
»Nein, nicht das. Ich werde niemals aufhören, dich zu lieben und mehr lieben kann man nicht, aber das ist besonders ... nun ja ...« er sprach nicht zu Ende, weil ihre Blicke das übrige sagten.
»Welcher Unsinn«, sagte Natalie plötzlich, »von dem Honigmonat und vom höchsten Glück in der ersten Zeit der Ehe zu sprechen, im Gegenteil, jetzt ist die beste Zeit, wenn du nur nicht verreisen würdest. Erinnerst du dich, wie wir uns gezankt haben? Und immer war ich schuld. Ich erinnere mich noch meiner Aufregung und Widersprüche.«
»Immer über dasselbe«, sagte Peter. »Eifers...«
»Sprich nicht davon, ich kann das nicht ertragen!« rief Natalie, und ein kalter, böser Glanz flackerte in ihren Augen auf. »Du hast sie gesehen?« fragte sie nach kurzem Schweigen.
»Nein, und wenn ich sie auch gesehen hätte, hätte ich sie auch nicht erkannt.«
Sie schwiegen.
»Ach, weißt du, im Kabinett, als du sprachst, habe ich dich angesehen«, sagte Natalie, sichtlich bemüht, die aufsteigende Wolke zu zerstreuen. »Du gleichst ihm wie ein Wassertropfen dem anderen!« Sie meinte damit ihren Sohn. »Es ist Zeit, zu ihm zu gehen, aber es tut mir leid, zu gehen.« Sie schwiegen einige Augenblicke, dann plötzlich wandten sie sich gleichzeitig einander zu. Peter begann mit Eifer und Selbstzufriedenheit, Natalie aber mit ihrem ruhigen, glücklichen Lächeln, dann aber schwiegen sie beide, um einander den Vortritt zu lassen.
»Was wolltest du sagen? Sprich!«
»Nein, sprich du!«
»Nichts Wichtiges«, erwiderte Natalie.
Peter sprach aus, was er begonnen hatte. Es war die Fortsetzung seiner selbstzufriedenen Erinnerungen an seine Erfolge in Petersburg. Er glaubte sich in diesem Augenblick berufen, der ganzen russischen Gesellschaft und der ganzen Welt eine neue Richtung zu geben. »Ich wollte nur sagen, daß alle Gedanken, die große Folgen haben, immer einfach sind. Mein Gedanke besteht darin, daß, wenn die lasterhaften Menschen miteinander verbunden sind und eine Gewalt vorstellen, so müssen die ehrlichen Menschen nur dasselbe tun. Das ist doch einfach?«
»Ja.«
»Aber was wolltest du sagen?«
»Nichts
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