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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Geschosse vom Donner der Schüsse und wartete. »Da kommt wieder eine zu uns!« dachte er, auf das näherkommende Pfeifen horchend. »Noch eine, da ist sie niedergefallen!« Er blieb stehen und blickte nach den Reihen der Soldaten.
    »Nein, nichts getroffen!«
    Ein Pfeifen und ein Schlag! Fünf Schritte von ihm wurde die trockene Erde aufgerissen und eine Kanonenkugel verschwand darin. Unwillkürlich lief ein Schauder über seinen Rücken. Wieder betrachtete er die Glieder des Bataillons. Wahrscheinlich waren viele getroffen. Eine große Gruppe sammelte sich beim zweiten Bataillon.
    »Herr Adjutant«, rief er, »befehlen Sie den Leuten, sich zusammenzudrängen!«
    Der Adjutant führte den Befehl aus und kehrte zum Fürsten Andree zurück. Von der anderen Seite her kam zu Pferde der Kommandeur des Bataillons.
    »Achtung!« ertönte der erschreckte Ruf eines Soldaten, und wie ein Vögelchen, das sich zur Erde niederläßt, schlug zwei Schritte vom Fürsten Andree neben dem Pferde des Majors eine Granate ein. Das Pferd sprang schnaubend zur Seite und warf beinahe den Major ab.
    »Niederlegen!« schrie die Stimme des Adjutanten, der sich selbst auf die Erde legte. Fürst Andree stand unentschlossen dabei. Die Granate drehte sich rauchend wie ein Kreisel zwischen ihm und dem auf der Erde liegenden Adjutanten.
    »Ist das etwa der Tod?« dachte Fürst Andree. »Ich will nicht sterben! Ich liebe das Leben, die Erde, die Luft!« Dabei dachte er daran, daß man ihn beobachtete.
    »Schämen Sie sich, Herr Offizier!« sagte er zu dem Adjutanten. »Ein solches ...« Er konnte nicht zu Ende sprechen, in demselben Augenblick ertönte ein Schlag, Fürst Andree taumelte zur Seite, erhob den rechten Arm und fiel auf die Brust. Einige Offiziere liefen auf ihn zu. Auf der rechten Seite sammelte sich ein großer Blutfleck auf dem Rasen, die Landsturmleute mit der Tragbahre blieben hinter den Offizieren. Fürst Andree lag auf der Brust und atmete schwer röchelnd.
    »Was steht ihr da? Vorwärts!«
    Die Bauern ergriffen ihn an Schultern und Füßen, aber er stöhnte kläglich, worauf sie sich ansahen und ihn wieder niederlegten.
    »Faßt an! Auf die Trage!« schrie eine Stimme. Wieder ergriffen sie ihn an den Schultern und legten ihn auf die Trage.
    »Ach, mein Gott! Was ist das! Es ist aus mit mir!« rief eine Stimme unter den Offizieren. »Sie ist mir am Ohr vorübergeflogen!« sagte der Adjutant. Die Bauern hoben die Trage auf die Schultern und gingen hastig nach dem Verbandplatz.
    »Geht doch im Schritt! ... Heda, ihr Bauernvolk!« schrie ein Offizier und hielt die Bauern an, da durch ihre unregelmäßigen Schritte die Tragbahre erschüttert wurde.
    »Erlaucht! Ach, Fürst!« sagte der herbeigeeilte Timochin mit zitternder Stimme. Fürst Andree öffnete die Augen und suchte den, der sprach, dann schloß er wieder die Augenlider.
    Die Landsturmleute brachten den Fürsten in den Wald, wo der Verbandplatz lag. Dieser bestand aus drei Zelten am Rande eines Birkenwäldchens, in welchem Wagen und Pferde standen. Die Pferde fraßen Hafer, und Sperlinge flogen um sie her, um zerstreute Körner aufzupicken, Raben, welche Blut witterten, krächzten auf den Birkenbäumen. Um die Zelte herum auf einem Räume von zehn Morgen lagen, saßen und standen mehr als zweitausend blutende Leute. Um die Verwundeten mit ihren kläglichen und ängstlichen Mienen standen Gruppen von Trägern, welche von den an diesem Ort diensttuenden Offizieren weggejagt wurden. Aber die Soldaten hörten nicht auf die Offiziere und blickten gespannt nach dem, was vor ihren Augen vorging. Aus den Zelten hörte man bald lautes, böses Zanken, bald klägliche Töne. Zuweilen kam ein Feldscher nach Wasser herausgelaufen und deutete auf diejenigen, welche hineingetragen werden sollten. Die Verwundeten, welche vor den Zelten warteten, bis sie an die Reihe kamen, stöhnten, weinten, schrien, zankten, baten um Wasser, einige fieberten. Die Träger trugen ihren Regimentskommandeur an anderen, unverbundenen Verwundeten vorüber, näher an eines der Zelte, und blieben stehen, auf Befehl wartend.
    Fürst Andree öffnete die Augen und konnte lange nicht begreifen, was um ihn her vorging. Er erinnerte sich nach und nach an die Wiese, das Ackerfeld, den schwarzen, kreisenden Ball, an seinen leidenschaftlichen Ausbruch von Lebenslust. Zwei Schritte vor ihm stand, auf einen Ast gestützt, mit verbundenem Kopf ein hochgewachsener, hübscher, schwarzhaariger Unteroffizier, welcher laut sprach.

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