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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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folgten.
    »Seht doch, Denissow hat sich die Sache zu Herzen genommen«, sagte Rostow, »und hat Proviant angeschafft.«
    »Wirklich!« riefen die Offiziere. »Wie werden sich die Soldaten freuen!«
    Etwas hinter den Husaren ritt Denissow, begleitet von zwei Infanterieoffizieren, mit denen er sprach. Rostow ging ihm entgegen.
    »Ich warne Sie, Rittmeister«, sagte der eine, ein kleinerer, schmächtiger, augenscheinlich zorniger Offizier.
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, ich gebe nichts heraus«, erwiderte Denissow.
    »Dafür werden Sie zur Verantwortung gezogen werden, Rittmeister! Das ist Gewalttat! Den eigenen Kameraden den Proviant wegnehmen! Die unsrigen haben seit zwei Tagen nichts gegessen!«
    »Und die meinigen haben seit zwei Wochen nichts gegessen«, erwiderte Denissow.
    »Das ist Raub, mein Herr!« wiederholte der Infanterieoffizier mit lauter Stimme.
    »Was wollen Sie eigentlich von mir?« schrie Denissow, plötzlich in Zorn geratend. »Ich werde es verantworten, nicht Sie! Hören Sie auf mit Ihrem Gefasel! Marsch!« schrie er den Offizier an.
    »Gut«, rief der kleine Offizier, ohne sich einschüchtern zu lassen, »das ist Straßenraub! Und ich werde Ihnen ...«
    »Zum Teufel! Marsch im Geschwindschritt, solange Sie noch bei heiler Haut sind!« Und Denissow wandte sein Pferd gegen die Offiziere um.
    »Gut, gut«, sagte der Offizier drohend, wandte sein Pferd und ritt im Trab davon.
    »Ein Hofhund!« sagte Denissow und ritt lachend Rostow entgegen. »Der Infanterie habe ich mit Gewalt einen Transport weggenommen«, sagte er, »man kann doch die Leute nicht verhungern lassen!«
    Die Wagen waren für ein Infanterieregiment bestimmt gewesen, aber Denissow, welcher von Lawruschka benachrichtigt worden war, hatte mit seinen Husaren die Wagen mit Gewalt weggenommen. Die Soldaten erhielten Zwieback, soviel sie wollten, und teilten sogar den anderen Schwadronen davon mit.
    Am andern Tag rief der Oberst Denissow zu sich und sagte ihm, indem er die Augen mit den Fingern bedeckte: »Ich will Ihnen sagen, wie ich die Sache ansehe. Ich weiß von nichts und werde auch nach nichts fragen, aber ich rate Ihnen, zum Stab zu reiten und dort in der Proviantverwaltung die Sache wieder gutzumachen, wennmöglich durch eine Quittung, daß Sie soundsoviel Proviant erhalten haben. Sonst endigt die Sache schlimm.«
    Denissow ritt sogleich zum Stab, um diesen Rat zu befolgen. Abends kehrte er in seine Hütte in einem Zustand zurück, wie ihn Rostow noch niemals gesehen hatte. Denissow konnte nicht sprechen und keuchte. Als Rostow ihn fragte, was ihm sei, brachte er mit heiserer, schwacher Stimme nur unverständliche Schimpfworte und Drohungen hervor. Erschrocken sandte Rostow zum Arzt.
    »Man will mich wegen Raub vor Gericht stellen! – Gib mir noch Wasser her! – Mir ist alles gleich! Schurken werde ich immer durchhauen! Und dem Kaiser werde ich's sagen! Gib Eis her!« rief er.
    Der Arzt kam und sagte, er müsse durchaus zur Ader lassen. Ein großer Teller voll schwarzen Blutes entfloß dem Arme Denissows, und erst dann war er imstande, zu erzählen, was vorgefallen war.
    »Ich komme hin«, erzählte Denissow. »›Nun, wo ist euer Chef?‹ frage ich. Man wies mich zu ihm. – ›Ist es nicht gefällig, ein wenig zu warten?‹ – ›Ich bin dreißig Werst weit geritten und kann nicht warten, melde ich.‹ Gut. Da kommt dieser Oberräuber heraus und wollte mir den Text lesen: ›Das ist Raub!‹ – ›Raub?‹ sage ich. ›Der ist kein Räuber, der den Proviant nimmt, um seine Soldaten damit zu füttern, sondern der, der ihn in die Tasche steckt!‹ – ›Gut, rechnen Sie ab mit dem Kommissionär!‹ sagt er, ›Ihre Sache wird dem Kommando übergeben werden!‹ – Ich gehe zum Kommissionär, trete ein – an den Tisch ... Was meinst du? Nein, du kannst es nicht erraten! Wer läßt uns vor Hunger sterben?« schrie Denissow mit einem Faustschlag, daß der Tisch beinahe umfiel. »Teljanin! – ›Was, du läßt uns verhungern?‹ rief ich. Dann gab ich ihm eins auf die Schnauze und noch eins. Es war nett! ... Nun, ich habe meinen Spaß gehabt, kann ich dir sagen!« rief Denissow vergnügt und zeigte boshaft seine weißen Zähne. »Ich hätte ihn totgeschlagen, wenn man nicht dazwischengekommen wäre.«
    »Was schreist du so?« sagte Rostow. »Beruhige dich! Siehst du, das Blut fließt wieder! Warte, man muß einen neuen Verband umlegen.«
    Denissow wurde verbunden und schlafen gelegt. Am andern Tag erwachte er vergnügt und ruhig.

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