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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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wollte.
    Der Oberverwalter, welcher alle Pläne des jungen Grafen fast für Verrücktheit hielt, die weder für den Herrn, noch für ihn, noch für die Bauern von Nutzen wären, machte Zugeständnisse. Die Fortschritte der Befreiung vorzuführen, war unmöglich; deshalb verfügte er, daß bis zur Ankunft des Herrn auf allen Gütern große Schulgebäude und kleine Häuser aufgerichtet waren, daß überall ein Empfang des Herrn stattfinden solle, nicht mit pomphaftem Gepränge, das, wie er wußte, Peter nicht gefiel, sondern mit dem Ausdruck religiöser Dankbarkeit, mit Heiligenbildern, mit Salz und Brot, überhaupt in solcher Weise, daß der festliche Empfang, wie er den Herrn verstand, auf ihn einwirken mußte und ihn täuschen konnte.
    Der südliche Frühling, die ruhige, rasche Fahrt in einem Wiener Reisewagen und die Einsamkeit erweckten freudige Gefühle in Peter. Von den Gütern, auf welchen er noch nie gewesen war, war immer eins malerischer als das andere. Überall schien das Volk wohlhabend zu sein und mit rührender Dankbarkeit die ihm erwiesenen Wohltaten anzunehmen. Überall waren Empfänge vorbereitet, welche Peter zwar mit finsterer Miene aufnahm, die ihn aber innerlich freudig erregten. An einem Orte brachten ihm die Bauern Salz und Brot (als Zeichen der Huldigung) und ein Heiligenbild von Peter und Paul und baten um die Erlaubnis, zu Ehren seines Schutzengels als Zeichen der Liebe und Dankbarkeit für die ihnen erwiesenen Wohltaten auf ihre Kosten einen neuen Nebenaltar in der Kirche zu errichten. An einer andern Stelle wurde er von Frauen mit Brustkindern empfangen, welche ihm für ihre Befreiung von schweren Arbeiten dankten. Auf einem dritten Gut erwartete ihn der Pope mit einem Kreuz, umgeben von Kindern, die er nach dem gnädigen Willen des Grafen im Schreiben und Lesen und in der Religion unterrichtete. Auf allen Gütern sah Peter mit seinen eigenen Augen neuerrichtete steinerne Gebäude für Krankenhäuser, Schulen, Armenhäuser, welche in nächster Zeit eröffnet werden sollten. Überall sah Peter die Berichte der Verwalter über die Fronarbeiten, welche gegen früher vermindert wurden, und nahm den rührenden Dank einer Deputation von Bauern in blauen Kaftanen entgegen.
    Schade, daß Peter nicht wußte, daß dort, wo man ihm Salz und Brot brachte und einen Nebenaltar für Peter und Paul errichtete, ein Marktflecken lag, daß der Jahrmarkt am Peter-Paulstag stattfand, daß der Nebenaltar schon lange durch einige reiche Bauern des Orts errichtet worden war, dieselben, welche vor ihm erschienen, und daß neun Zehntel der Bauern jenes Dorfes im größten Elend lebten. Er wußte auch nicht, daß die Mütter mit Brustkindern, die auf seinen Befehl nicht mehr zu schwerer Fronarbeit geschickt wurden, dafür um so mehr mit anderen Arbeiten überhäuft wurden. Er wußte auch nicht, daß der Pope, der ihm mit dem Kreuz entgegenkam, die Bauern durch seine Erpressungen bedrückte, und daß die um ihn versammelten Schüler ihm nur mit Tränen übergeben worden waren, und viele andere von ihren Eltern mit schwerem Geld davon losgekauft wurden. Er wußte nicht, daß die steinernen Gebäude durch die Bauern errichtet wurden und ihre Fronarbeit dadurch vermehrt worden war, die nur auf dem Papier vermindert wurde. Er wußte auch nicht, daß dort, wo der Verwalter ihm aus dem Buch die auf seinen Willen erfolgte Verminderung der Abgaben um ein Drittel nachwies, dafür die Fronarbeit um die Hälfte erhöht worden war, und deshalb war Peter entzückt über die Reise durch seine Güter und befand sich ganz in jener philosophischen Stimmung, in der er Petersburg verlassen hatte. Er schrieb entzückte Briefe an den Großmeister.
    »Wie leicht ist es, wie geringe Anstrengung erfordert es, so viel Gutes zu tun«, dachte Peter, »und wie wenig streben wir danach!«
    Er war glücklich über die ausgesprochene Dankbarkeit, die er aber nur mit Beschämung entgegennahm, weil sie ihn daran erinnerte, wieviel mehr er noch hätte tun können für diese guten, einfachen Menschen. Der Oberverwalter, ein sehr dummer, aber listiger Mensch, hatte den geistreichen und naiven Grafen vollkommen erkannt. Er spielte mit ihm wie mit einem Spielzeug, und als er die Wirkung sah, welche auf Peter die für ihn bereiteten Empfänge machten, trat er mit mehr Entschiedenheit auf, um die Unmöglichkeit und hauptsächlich die Unnötigkeit der Befreiung der Bauern nachzuweisen, welche auch ohnedies schon ganz glücklich seien. Innerlich stimmte

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