Kriegswirren
»Ich habe Kundschafter ausgesandt, sobald ich erkannte, daß diese Gruppe besiegt war. Innerhalb von zehn Meilen stehen drei weitere Kolonnen.«
»Sie sind eilig westwärts gezogen«, warf Bashere ruhig ein, aber er betrachtete Gedwyn scharf. »Ihr habt es geschafft«, sagte er zu Rand. »Sie weichen alle zurück. Ich bezweifle, daß sie vor Ebou Dar innehalten werden. Nicht jede Schlacht endet mit einem großen Einmarsch in die Stadt, und diese ist beendet.«
Überraschenderweise begann Weiramon für einen Vorstoß zu plädieren, um »Ebou Dar für den Ruhm des Herrn des Morgens einzunehmen«, wie er sich ausdrückte, aber es war gewiß noch erschreckender, von Gedwyn zu hören, er hätte nichts dagegen, einige weitere Angriffe auf die Seanchaner zu führen und Ebou Dar aufzusuchen. Selbst Ailil und Anaiyella stimmten dafür, »den Seanchanern ein für allemal ein Ende zu bereiten«, obwohl Ailil noch hinzufügte, daß sie es auch wollte, um zu vermeiden, deswegen zurückkehren zu müssen. Sie war sich ziemlich sicher, daß der Lord Drache dabei auf ihrer Begleitung bestehen würde, das äußerte sie in einem so kühlen und trockenen Tonfall wie eine Nacht in der Aiel-Wüste.
Nur Bashere und Gregorin sprachen sich für die Rückkehr aus und erhoben ihre Stimmen um so lauter, je stiller Rand wurde. Schweigend blickte er westwärts in Richtung Ebou Dar.
»Wir haben getan, weshalb wir hergekommen sind«, beharrte Gregorin. »Barmherziges Licht, wollt Ihr Ebou Dar selbst einnehmen?«
Ebou Dar einnehmen, dachte Rand. Warum nicht? Niemand würde das erwarten. Eine vollkommene Überraschung, sowohl für die Seanchaner wie auch für alle anderen.
»Es gibt Zeiten, in denen man seinen Vorteil ergreift und weitermacht«, grollte Bashere. »Zu einer anderen Zeit nimmt man seinen Gewinn und geht nach Hause. Ich sage, es ist an der Zeit, nach Hause zu gehen.«
Ich hätte nichts dagegen, wenn du in meinem Kopf wärst, sagte Lews Therin und klang fast geistig gesund, wenn du nicht so eindeutig wahnsinnig wärst.
Ebou Dar. Rand umfaßte das Drachenszepter fester, und Lews Therin kicherte.
KAPITEL 5
Zeit für Härte
Ein Dutzend Meilen östlich von Ebou Dar glitt ein Raken aus dem wolkenverhangenen Sonnenaufgang heran und landete auf einer länglichen Weide, die durch farbige Wimpel an hohen Pfosten als Flugfeld markiert war. Das braune Gras wurde bereits seit Tagen niedergetreten. Die ganze Anmut der Wesen im Flug verlor sich, sobald ihre Klauen in schwerfälligem Lauf den Boden berührten, wobei sie die ledrigen, mindestens dreißig Fuß weiten Flügelspitzen ausgebreitet hielten, als wollten sie sich wieder aufwärts schwingen. Es war kein schöner Anblick, wenn ein Raken flügelschlagend und unbeholfen das Flugfeld entlang lief, während sich die Flieger an den Sattel klammerten, bis er schließlich taumelnd aufstieg und mit den Flügelspitzen nur knapp die Wipfel der Olivenbäume am Ende des Flugfeldes verfehlte. Erst wenn sie an Höhe gewannen, sich der Sonne zuwandten und auf die Wolken zuflogen, erlangten Raken ihre würdevolle Erhabenheit zurück. Nach der Landung machten sich die Flieger nicht die Mühe abzusteigen. Während ein Erdung dem Raken einen Korb mit gedörrten Früchten entgegenhielt, wovon dieser zwei Handvoll auf einmal verschlang, reichte einer der Flieger einem rangälteren Erdling den Kundschafterbericht herab, während sich der zweite Flieger auf der anderen Seite hinunterbeugte, um von einem noch rangälteren Flieger, der die Zügel nicht mehr allzu häufig selbst halten konnte, neue Befehle entgegenzunehmen. Das Wesen wurde fast ebenso rasch, wie es zum Halten gebracht wurde, gewendet und zu vier oder fünf weiteren Raken gebracht, die bereits darauf warteten, daß sie mit ihrem langen, linkischen Lauf in den Himmel wieder an der Reihe waren.
Boten trugen die Kundschafterberichte eilig zwischen voranschreitenden Formationen von Kavallerie und Infanterie hindurch zu dem großen, mit einem roten Banner versehenen Zelt des Befehlshabers. Es gab hochmütige tarabonische Lanzenträger und schwerfällige, wohlgeordnete amadicianische Pikeniere, die Brustharnische waagerecht mit den Farben ihrer Regimenter gekennzeichnet. Die ungeordnete altaranische leichte Kavallerie ließ ihre Pferde tänzeln, voller Einbildung auf die roten Schlitze kreuz und quer über ihrer Brust, die sich so sehr von den Kennzeichnungen aller anderen unterschieden. Die Altaraner wußten nicht, daß auf diese Art Hilfstruppen
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