Kriminalgeschichte des Christentums Band 03 - Die Alte Kirche
einer Toten, einen Habicht aus Lehm, der lebendig wird. Wen wundern da noch geschichtliche Anachronismen, fingierte Quellen, die Auftritte des persischen Königs Arrinatus, nach dem schon der Bollandist G. Henschen im 17. Jahrhundert vergeblich fahndete, ein (auch anderswo figurierender) Fabelkönig, unter dem das Religionsgespräch stattfindet, der christliche Mirakel beglaubigt und die Verhandlungen feierlich durch ein Diplom. Wohlweislich ist nicht alles erfunden, auch Historisches eingestreut. Der Verfasser selbst aber bleibt anonym. Er schweigt über sich, über die Zeit – und beutete schamlos die den meisten unbekannten Schriften des Philippus von Side aus, entweder noch im 5. oder 6. Jahrhundert 281 .
Zu einer ganzen Flut von Fälschungen kam es im Zusammenhang mit den antiken Christenverfolgungen: je weniger echte Märtyrer, desto mehr gefälschte Märtyrerakten.
2. Kapitel
Wunder- und Reliquienbetrug
»Ohne Wunder wäre ich kein Christ«. »Ohne die Wunder wäre es keine Sünde gewesen, wenn man nicht an Jesus Christus geglaubt hätte«.
Blaise Pascal 1
»Warum sind die Wunder Jesu Christi wahr und die Wunder des Äskulap, des Apollonius von Tyana und des Mohammed unwahr?«
Denis Diderot 2
»Daß die Lehre göttlich ist, sollen mir die Wunder beweisen; daß aber diese selbst göttlich und nicht vielmehr teuflisch sind, soll ich aus der Lehre ersehen«.
David Friedrich Strauß 3
»Nachrichten von Wundern sind nicht Wunder«.
Gotthold Ephraim Lessing 4
»Je mehr ein Wunder der Vernunft widerspricht, desto mehr entspricht es dem Begriff des Wunders«.
Pierre Bayle 5
»Ein eigentliches Wunder wäre überall ein Dementi, welches die Natur sich selber gäbe«.
Arthur Schopenhauer 6
»Ein
höherer Bildungsgrad
ist für die Feststellung eines Wunders auch nicht erforderlich: ein offenes Auge und gesunder Menschenverstand sind vollständig ausreichend«.
Der katholische Theologe Brunsmann 7
Die »Erzmärtyrerin«
Als erste Märtyrerin überhaupt, als »Erzmärtyrerin«, gilt die hl. Thekla, obgleich sie durch ein Wunder entkommen sein soll – so fürchterlichen Peinigungen, wie die von einem Katholiken gefälschten und den ganzen christlichen Erdkreis erbauenden »Akten des Paulus und der Thekla« beweisen, daß man sich fragt, wer all dies heute selbst von den Gläubigen noch glaubt. Doch die größten Kirchenlehrer, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomos, Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und andere haben über sie berichtet, sie gerühmt.
Als schöne Tochter eines reichen »Götzenpriesters« zu Ikonium geboren, öffnet Gott durch die Enthaltsamkeits-Predigt des hl. Paulus ihr Herz. Er entflammt sie für Keuschheit, so daß sie sich ihrem Verlobten Thamyris verweigert, dafür aber, in Männerkleidern, mit dem hl. Völkerapostel durchbrennt. Zurückgebracht bieten der Bräutigam und die ganze götzendienerische Verwandtschaft alles zur Wiedergewinnung der christlichen Gottesbraut auf – vergeblich. Paulus wird gegeißelt, verjagt, Thekla, von ihrem Bräutigam und der eigenen Mutter als Christin verklagt, splitternackt fürchterlich brüllenden Leoparden, Löwen, Tigern vorgeworfen. Doch die Bestien lagern sich wie Lämmer zu ihren Füßen und belecken sie ganz lieb. »So wunderbarer Zauber liegt über der Jungfräulichkeit«, schwärmt Kirchenlehrer Ambrosius, »daß ihr selbst Löwen ihre Bewunderung bezeugen: ob auch hungrig, der Fraß verleitete sie nicht; ob gereizt, das Ungestüm riß sie nicht fort; ob aufgestachelt, die Wut entflammte sie nicht; ob daran gewöhnt, die Gepflogenheit beirrte sie nicht; ob wild, die Natur hatte sie nicht mehr in ihrer Gewalt. Sie wurden Lehrer der Frömmigkeit, indem sie der Märtyrerin huldigten, ebenso Lehrer der Keuschheit, indem sie der Jungfrau nur die Füße kosten, die Augen gleichsam aus Schamhaftigkeit zur Erde gesenkt, daß nichts Männliches, und wäre es auch tierischer Art, die entblößte Jungfrau anblicke«. Ogottogottogott!
Nun kommt die Gottesbraut in Rom auf den Scheiterhaufen. Doch inmitten der lodernden Flammen bleibt sie unversehrt. Sie landet in einer Schlangengrube, wo aber die gräßlichen Nattern, noch ehe sie Thekla wieder zärtlich belecken können, aus sprichwörtlich heitrem Himmel ein Blitz erschlägt. Auch später entgeht sie allen Nachstellungen Satans. Einmal zwar stürzt sie sich schon mit dem Ruf: »Im Namen Jesu Christi empfange ich am letzten Tage die Taufe« in ein Bassin voller Seehunde. Doch ist's auch
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