Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Shelleys, »des frühvollendeten großartigen Lyrikers vom Anfang des 19. Jhs., der für Deschner offenbar das einzig Wahre gesagt hat« (154): »...dieses Ungeheuer Konstantin ... dieser kaltblütige und scheinheilige Rohling durchschnitt seinem Sohn die Kehle, erdrosselte seine Frau, ermordete seinen Schwiegervater und seinen Schwager und unterhielt an seinem Hofe eine Clique blutdürstiger und bigotter christlicher Priester, von denen ein einziger genügt hätte, die eine Hälfte der Menschheit zur Abschlachtung der anderen aufzureizen.«
Nun ist Shelleys Statement für mich keinesfalls »das einzig Wahre«. Wohl aber kommt diese Sicht der Dinge dem Geschehenen sicher näher als die der vor ihm zitierten antiken und modernen Pfaffen.
Bevor ich gleich zum III. und letzten Hauptteil der Alföldi-Kritik übergehe, noch einige Vorwürfe aus ihrer Nummer II.
Zum Beispiel belehrt sie mich über Termini technici, die ich schon vor Jahrzehnten bei der Darstellung des Herrscherkultes und seiner Beeinflussung des Neuen Testaments beschrieb, und suggeriert – ein so beliebter wie plumper Trick –, ein »Spötteln« über Titel wie »Heiland und Wohltäter« renne offene Türen ein; es »lohnt sich nicht«. Als wüßte nicht auch sie: das Gros der Gläubigen hat von diesen (und hundert anderen) religionshistorischen Hintergründen, hat von der Tatsache, daß
nichts
im Christentum ursprünglich ist – vom Weihnachtsfest zur Himmelfahrt lauter Plagiate –, noch heute keine Ahnung. Davon leben ja die Kirchen! Im übrigen erschöpft sich mein »Spötteln« in dem Satz – von mir angeblich »eigens höhnisch hervorgehoben« –: »Der ›Heiland und Wohltäter‹ hatte den Entscheidungskampf mit religionspolitischen Aktionen vorbereitet ...«
Sie hat nichts Entscheidendes vorzubringen, also kann sie immer wieder nur andeutend, weil unbegründet, sticheln, muß sie verzerrend übertreiben, glatt unterschlagen oder einfach unwahrhaftig sein. Doch zeigt die mir häufig zugedachte, nicht nur in Anbetracht des zur Debatte Stehenden geradezu lächerliche Schulmeistern mehr als vieles, wie wenig stichhaltig dies alles ist. Etwa wenn sie (S. 154 f.) moniert, der Gebrauch moderner, der Antike unbekannter Ausdrücke wie »Aggressor« (sic) und »Angriffskrieg« sei nicht »sachgerecht« und führe den Leser »in die Irre«. Doch wie viele neuere Historiker verwenden neue Vokabeln für alte Epochen; in meinem Konstantin-Kapitel zitiere ich Altmeister Otto Seeck mit dem Wort »Angriffskrieg«.
Aus eklatantem Mangel an handfesten Einwänden bemäkelt sie sogar, bei mir seien »Aufsätze verglichen mit den Monographien relativ unterrepräsentiert« (155). Nun, das genügt doch. Auch hier gibt es keine Norm. Zwar wird gewiß »gerade in Aufsatzform sehr viel Neues geschrieben«; viel zuviel. Doch »sehr viel Neues« muß ja nicht, worauf es mir ankommt, schon sehr viel Gutes sein. Und nach dem Guten frage ich bestimmt nicht sie.
»Unkenntnis« kreidet mir Frau R.-Alföldi auch über die stammesmäßige Zusammensetzung der Franken an.
Der junge Kaiser Konstantin, schreibe ich auf Seite 217, habe als Herr über Britannien und Gallien die Franken besiegt und darauf »deren Könige Ascaricus und Merogaisus zur allgemeinen Augenweide von hungrigen Bären zerfleischen« lassen. Etwas später ergänze ich, diese »fränkischen« Könige seien möglicherweise Brukterer oder Tubanten gewesen. Dies aber, kontert sie, offenbare nicht, »wie vielleicht beabsichtigt, Gelehrsamkeit und Wissen, sondern die Unkenntnis der historischen Tatsache, daß ›die Franken‹ ein Stammesverband sind, in denen [sic] sehr wohl auch die Brukterer und die Tubanten ihren Platz haben« (156)
Doch schließt mein Text das aus? »Möglicherweise«, sage ich, waren die beiden Könige der Franken »in Wirklichkeit Brukterer oder Tubanten«. Konstantin hatte seinerzeit den germanischen Stamm der »bructeri« am Rhein besiegt. Es gab aber auch »Boruktuarier«, wie Beda berichtet, die erst sehr viel später, gegen Ende des 7. Jahrhunderts, zwischen Lippe und Ruhr unter sächsische Herrschaft kamen. Als Missionsbischof Suitbert (gest. 713) diese westfälischen Brukterer zu »bekehren« suchte, mußte er vor den Sachsen fliehen. Somit gingen die Brukterer zunächst keinesfalls (ganz) in den Franken auf. Und gehörte auch zur Zeit Konstantins ein Teil jener zu diesen, waren sie doch Brukterer – so wie die Sachsen auch unter den Franken Sachsen blieben.
Ich zitiere nie
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