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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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»Ketzer«-Jäger, gegen die Donatisten gestattet, die Folter quasi als Bagatelle gegenüber der Hölle verteidigt, geradezu als eine »Kur«, emendatio (I 485).
    Die augustinische »Ketzer«-Polemik baute im 11. Jahrhundert u.a. Bischof Anselm von Lucca, 1080 von seinen eigenen Klerikern vertrieben, systematisch aus, wobei er Augustin ganz richtig versteht: ein Vorgehen gegen die Bösen sei eigentlich kein Verfolgen, sondern eine Äußerung der Liebe. Auch Bischof Bonizo von Sutri, der Schismatiker und schlimmere Abweichler »mit allen Kräften und Waffen zu bekriegen« aufruft und von seinen Christen 1089 geblendet und verstümmelt wird, zögert nicht, Augustin die Worte in den Mund zu legen, »daß diejenigen selig seien, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung ausüben«.
    Nördlich der Alpen kam das beeindruckendste Instrument christlicher Nächstenliebe schon in karolingischer Zeit zur Anwendung, begann aber erst im 13. Jahrhundert zu florieren, als Innozenz IV. in der Bulle »Ad exstirpanda« 1252 die Folter gegen norditalienische »Ketzer« vorschrieb und kanonisch regelte. 1256 wurde dies auf ganz Italien ausgeweitet und in den nächsten Jahren von den Päpsten Alexander IV. und Clemens IV. bestätigt. 1261 erlaubte Urban IV., daß Inquisitoren, denen bei dieser etwas robusteren Art der Meinungserforschung ein Delinquent starb, sich gegenseitig absolvieren können. Denn zu Tode foltern durfte man einen »Befragten« nicht. In diesem Fall verfiel der Inquisitor der Exkommunikation. Er wurde allerdings sofort befreit davon, sprach ein Priester der Inquisition ihn los durch die Formel: Ego te absolvo.
    Zu Beginn des 14. Jahrhunderts, in dem auch Clemens V. das Foltern während der Templer-Ausrottung befahl (S. 467), wurden im Königreich Neapel 42 Franziskanerspiritualen fünf Monate lang schärfstens torturiert, so daß einige von ihnen starben, die Überlebenden dann nackt durch die Straßen der Hauptstadt gepeitscht und verbannt. Man hat die Spiritualen, die mehr frühfranziskanischer Lebensart zuneigten, größerer Kontemplation, strengerer Armut, bis Kalabrien, Sizilien, bis nach Armenien und Jaffa gejagt, hat, so weist eine Liste des Inquisitionstribunals in Carcassonne aus, zwischen 1318 und 1358 auch 113 »Brüder des armen Lebens« verbrannt. Freilich – die Praxis selbst der Spiritualen war nicht stets spirituell. So warteten sie in Asciano in dem von ihnen besetzten Minoritenstift oder im Kloster von Carmignano bei Florenz hinter Schießscharten mit Standarmbrüsten auf ihre Verfolger.
    Neben der Folter hing das Kreuz, und während des Marterns besprengte man die Instrumente der Heilsvermittlung mehrmals mit Weihwasser. So waren sie denn zur Erzwingung aller erwünschten Geständnisse auch meist rasch wirksam und ersparten der Inquisition überdies Nahrungs- und Unterbringungskosten.
    Im Inquisitionskerker zu Carcassonne gestand man für den Unterhalt der Gefangenen pro Tag und Kopf 8 déniers zu (etwa 8 Pfennig nach der deutschen Währung von 1900), woran jedoch die Gefängniswärter noch verdienen wollten. So wurde die Folter bei den geistlichen Herren schnell beliebt, indes die staatliche Gerichtsbarkeit sie nur langsam einführte.
    Die Folterarten waren, von verschiedenen Handbüchern ausdrücklich betont, durch das Kirchenrecht nicht festgelegt; sie standen im Belieben des Richters. Untersagt war nur, einen Gefolterten – außer im Fall neuer Anklagepunkte – ein zweites Mal zu foltern. Man umging das aber dadurch, daß man nach Unterbrechung der Folter diese ein, zwei Tage später wieder aufnahm, sie dann allerdings nicht »erneuerte«, sondern »fortgesetzte« Folter nannte (continuata tormenta, non iterata). Verlor ein Gefolterter das Bewußtsein, sollte man ihn mit Wasser übergießen oder durch Schwefel, unter seiner Nase entzündet, der Ohnmacht entreißen, worauf man weiter foltern konnte.
    Umstritten war auch die Altersgrenze der zu Folternden. Nach oben war sie selbstverständlich offen. Für Jugendliche setzten Konzilien von Toulouse, Béziers und Albi vierzehn Jahre für das männliche, zwölf für das weibliche Geschlecht fest. Doch gab es auch kirchliche Autoritäten, die das Alter bis auf sieben Jahre reduzierten. Das »Sacro Arsenale« des Dominikanerinquisitors Thomas Menghini erlaubte auch das Geißeln unmündiger Kinder.
    Was die Zeugen betrifft, machte es der im Veltlin tätige päpstliche Inquisitor Royas zum Prinzip: »Zeugen, die Schlechtes von einem Ketzer aussagen,

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