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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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beteiligt, doch differieren die Gesetze nach Zeit und Ort. Allgemein war nur die Gier nach Geld, nach dem Besitz der Opfer, ein unablässiges Geschnüffel und Gefeilsch, eine permanente, juristisch mehr oder weniger geregelte Gangsterei.
    Im übrigen bestrafte man mit Geld bloß die Reumütigen. Aber keinesfalls immer bloß mit Geld. Bestimmte ja 1229 Gregor IX. in der Bulle »Excommunicamus«, daß alle, die sich nach der Verhaftung aus Todesangst zum »wahren Glauben« bekehren, »lebenslänglich eingekerkert werden und auf diese Weise die gebührende Buße vollbringen«. Und fast gleichzeitig verfügte das Konzil von Toulouse dasselbe. Hartnäckigen und Rückfälligen aber nahm man alles und übergab sie »ohne Barmherzigkeit« (absque misericordia) dem weltlichen Gericht, gewöhnlich mit der stereotyp wiederkehrenden Wendung, ihnen die »gebührende Strafe« (animadversio debita) zu erteilen, was dann stets die Todesstrafe bedeutete.
    Es gibt vermutlich nichts im Christentum, das mit soviel Furcht und Abscheu erduldet wurde wie die Inquisition, und wohl wenig, das mit solcher Intensität und Erbarmungslosigkeit betrieben worden ist. »Selbst die Menschenquäler der KZs«, schreibt Hans Wollschläger mit allem Recht, »haben so zu quälen nicht verstanden.« Dies liegt, neben dem Fanatismus, dem kriminellen Wahnsinn für die Sache, zweifellos am meisten am Gewinn, den sie abwarf durch die Bußgelder, die Konfiskationen; eine Strafe, die die Kirche selbst aus dem römischen Recht in die europäische Gesetzgebung zur Pönalisierung von Gebotsübertretungen eingeführt hat.
    Sowohl Alexander III. (1163) als auch Lucius III. (1184) forderten die Konfiskation. König Ludwig der Heilige befahl sie 1259 sogar für solche, die Vorladungen absichtlich nicht folgten oder in deren Häusern Häretiker angetroffen wurden. Innozenz III. schrieb sie für alle »Ketzer« vor. Und schon eine seiner ersten Amtshandlungen befaßte sich damit. So heißt es in der Dekretale »Vergentis«: »In den Ländern, die unserer Gewalt unterworfen sind, sollen die Güter der Ketzer beschlagnahmt werden; in den anderen Ländern soll dies durch die weltliche Obrigkeit geschehen, die wir, falls sie sich nachlässig zeigen sollte, durch kirchliche Strafen dazu zwingen.« 10
    Es gab allerdings keine allgemeingültige Regelung der Raubverteilung. Papst Lucius III., beispielsweise, wollte den Ertrag der Konfiskation, was in den päpstlichen Gebieten auch selbstverständlich war, ausschließlich der Kirche zuwenden. Zur Zeit des Konrad von Marburg (S. 257 f.) sollte in deutschen Bischofsstädten eine Hälfte der Bischof, die andere der König oder ein sonstiger Richter bekommen. Die Bischöfe aber erhoben zuweilen auch Anspruch auf die Konfiskation des gesamten Eigentums eines ihrer Jurisdiktion unterstellten »Ketzers«. So bedrohten sie 1251 auf dem Konzil von Lille jeden mit Exkommunikation, der ihnen »dieses Recht streitig machen würde«.
    Es kam deshalb häufig zu Interessenkollisionen, zu lang anhaltenden Auseinandersetzungen. Unentwegt prozessierten die Brüder in Christo um Schlösser, um Weinberge, Obstplantagen, um sonstige Ländereien, um bewegliches Gut. Dreißig Jahre stritten die rührigen Bischöfe von Albi mit der Krone um die Beute aus der Albigenserabschlachtung; dreißig Jahre lang rauften mit ihr die Bischöfe von Rodez; etwa ebensolang rang die Gräfin von Vendôme, Eleonore von Montfort, mit dem französischen König um »Ketzer«-Güter. Die Konfiskation hatte schon im Jahr 1300 stattgefunden, 1335 wurde der Prozeß beendet.
    Selbst gegen Tote strengte man nicht selten noch Gerichtsverfahren an. Zweiunddreißig Jahre kämpften der Bischof und der Inquisitor von Ferrara um das Skelett des Armanno Pongilupo von Ferrara, bis der Inquisitor 1301 siegte. Und wie furchtbar mögen wohl Kinder und Enkelkinder, die Erben des 1250 verstorbenen mächtigen und reichen Gherardo von Florenz, insgeheim ein »Ketzer«, erschrocken sein, als noch 1313 der Inquisitor der Stadt einen Prozeß gegen sie begann, alle enterbt und der Rechtsunfähigkeit von »Ketzer«-Nachkommen unterworfen hat. 11
    Die unbeugsame Grausamkeit der Kirche und ihrer Komplizen (darunter ein veritabler Heiliger wie König Ludwig IX.) strafte an Gut und Blut. Aber sie strafte nicht nur die Häretiker, sondern oft auch ihre Helfer, Beschützer, strafte jeden, der diese in irgendeiner Weise begünstigt hatte. Das Bespitzeln, Aushorchen, Denunzieren wird systematisch

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