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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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gezüchtet, jede Art scheußlicher Seelenstimmungen, der immerwährenden Angst, Arglist, der Gehässigkeit gefördert, herausgelobt und belohnt, jedes Vertrauen zwischen Menschen untergraben und das Ganze, Gipfel der Perversion, auch noch als gesellschaftliches Ideal hingestellt – – eine Hölle, die Generation um Generation ins Elend stürzt, eine der Grundlagen der Geschichte, die wir haben.
    Und wie oft doch hat einer den andern da nur denunziert, um möglicherweise nicht selbst denunziert zu werden. Ein Terror, der Terror zeugt, immer wieder von neuem, auch und gerade unter den Nächsten. Denn wo hätte sich das Bibelwort »des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein« mehr erfüllt! Papst Gregor IX. rühmt geradezu, daß Männer ihre Frauen, Frauen ihre Männer, daß Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Eltern verraten, befiehlt, daß niemand zögern dürfe, die eigene Familie preiszugeben, »... uxor propriis liberis, aut marito, vel consortibus ejusdem criminis, in hac parte sibi aliquatenus non parcebant«. Ein teuflisches System, das seine Sicherheit darauf gründet, daß es alle Welt unsicher macht, bedroht, ruiniert, daß es sogar und gerade die Familien, daß es noch das intimste Privatleben, ja, daß es noch die Nachkommen in seine barbarische Justizrache hineinreißt.
    So hob man alle Kindespflichten gegenüber häretischen Eltern auf, sollte man diese »wie
Fremde
und
Ausländer«
ansehen und sie der Inquisition überstellen; nur dann bestand das Kindeserbrecht fort. Andernfalls verloren auch katholisch gebliebene Kinder ihr Hab und Gut, wurden sie restlos um ihr Vermögen gebracht. Die Kirche ließ ihnen nicht einmal den Pflichtteil, ließ ihnen nur das nackte Leben, und dies, so Innozenz III. in seiner Dekretale »Vergentis«,
»nur aus Barmherzigkeit«.
Alles andere verloren sie unbarmherzig. Keinen einzigen Denar sollten sie erben können, kommentiert Innozenz' Dekretale Kanonist Paul Ghirlandus, Beirat des päpstlichen Generalvikars in Rom. Vielmehr mußten sie dauernd in Armut und Elend dahinvegetieren (debent semper in miseria et egestate sordescere); »nichts soll ihnen bleiben, als das nackte Leben, das ihnen aus Barmherzigkeit gelassen wird; sie sollen sich in dieser Welt in einer solchen Lage befinden,
daß ihnen das Leben zur Pein und der Tod zum Troste wird«.
12
    Es gehört kaum große Phantasie dazu, sich die Aussichtslosigkeit, die entsetzliche Not vorzustellen, in die ungezählte Menschen jeden Alters und Geschlechts durch dieses Kirchenverfahren oft buchstäblich über Nacht gestürzt, mittellos buchstäblich vor die Tür gesetzt worden sind; zumal nicht selten schon der Verdacht der »Ketzerei«, schon die Verhaftung die Konfiskation des ganzen Vermögens nach sich zog.
    Doch nicht nur das private Leben wurde so unheimlich gefährdet, sondern auch die gesamte geschäftliche Existenz grenzenlos verunsichert, jede Möglichkeit der Vorausschau verunmöglicht, da jeder Handelspartner ein »Ketzer« sein oder zumindest der »Ketzerei« bezichtigt werden, all seine Habe verlieren konnte und jeder Käufer, jeder Gläubiger dann vor dem Nichts stand. Denn nicht nur war der Verkehr mit Exkommunizierten unerlaubt und strafbar, sondern die Kirche hat auch die Ungültigkeit von Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen Exkommunizierter behauptet. Exkommunizierte – Gregor XI. exkommunizierte bis in die siebte Generation – galten bis zum Ende des 13. Jahrhunderts nach kanonischem Recht als exlex, und zwar auch für das weltliche Forum, weshalb die Kirche die Verfolgung der hartnäckigen Exkommunizierten auch durch die Acht, den bürgerlichen Tod, gefordert hat.
    Die Sache, »die Sache Christi«, aber war um so prekärer, als der Klerus in seinem Wahn, seiner Gier und Unersättlichkeit stets auch gegen Tote vorging, sobald deren Häresie aufkam, so daß niemand seines Vermögens, seines Besitzes sicher war. Dabei trat die Verjährung für »Ansprüche« der Kirche erst nach vierzig, bei der römischen Kirche erst nach hundert Jahren ein. Zudem berechnete man diese Verjährung nicht vom Zeitpunkt des »Verbrechens«, sondern von seiner Entdeckung an. »Diese Begleiterscheinungen der Verfolgung haben dazu beigetragen, daß die so viel versprechende Zivilisation des südlichen Frankreich zurückging und die Vorherrschaft in Handel und Gewerbe auf England und die Niederlande, wo die Inquisition verhältnismäßig unbekannt war, überging, was dann wieder Freiheit, Reichtum, Macht und Fortschritt

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