Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
Kaisern und Königen stehe, überstrahle doch »wie die Sonne den Mond, so die geistliche die weltliche Gewalt«. Auch läßt er König Johann von England wissen: »Wie in der Bundeslade des Herrn die Rute neben den Gesetzestafeln lag, so ruht in der Brust des Papstes die Macht der Zerstörung und die süße Gnadenmilde«. Und rühmt sich wieder anderwärts: »Wer aber bin ich, daß ich erhaben über die Könige sitze und den Thron der Herrlichkeit inne habe? Denn zu mir ist beim Propheten gesagt: Ich habe dich über die Völker und Reiche gesetzt, auf daß du ausrufest und niederreißest, zerstörest und zerstreuest, pflanzest und auferbauest ... Ihr sehet ja, wer der Knecht ist, der über das Haus gesetzt wird ... gesetzt als Mittler zwischen Gott und den Menschen, unter Gott, doch über dem Menschen, geringer als Gott, aber größer als der Mensch ...«
Der sich indes derart in so schwindelnde wie erschwindelte Höhen hebt, er erklärt auch mit allem Nachdruck, der Mann auf Petri Stuhl sei kein Herr, sondern Knecht, sei nicht zu herrschen da, sondern zu dienen. Und addiziert doch schon 1198 der Kirche kaiserliche Rechte! Wie er denn auch als erster die Kirche zu einem »Staat«, einer »absoluten Monarchie« macht – »rücksichtslos und ohne Scheu der Mittel« (Kantorowicz). 10
»Er selbst war die letzte, höchste Autorität (suprema auctoritas)«, schreibt Bernard Guillemain. »Er bestritt den weltlichen Herrschern nicht alle (!) Zuständigkeiten ... Aber er behielt sich das unbedingte Recht vor, dort einzugreifen, wo geistliche Belange mit im Spiel waren.« Und wo waren sie es nicht! Guillemain fährt fort, übrigens mit Imprimatur: »So präzisierte er die Ansichten Gregors VII., für den die priesterliche Verantwortung alles einschloß.« 11
»Rekuperationen« und Nepotismus
Der Diener, der nicht Herrscher sein wollte, begann sein Amt damit, daß er in Rom, seit über einem Jahrhundert von den Päpsten unabhängig, so rasch es ging, die Herrschaft an sich riß. Er bestach das Volk mit Geld, worauf es sogar auf das Recht der freien Senatswahl verzichtete und Innozenz die vom Senat eingesetzten Justitiare durch päpstliche Richter austauschte. Den führenden Senator Scottus Paparone löste er durch einen Mann seines Vertrauens ab, der ihm eidlich und umfassend versichern mußte, »so mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien«, von jetzt ab und künftig seinem Herrn, dem Papst Innozenz, treu zu sein. »Weder tätlich noch rätlich will ich dazu beitragen, daß du Leben oder Leib verlierest oder hinterlistig gefangen werdest. Was du mir anvertrauest persönlich oder durch Briefe und Boten, will ich zu deinem Schaden niemand offenbaren. Ich will deinen Nachteil hindern, wenn ich darum weiß; vermag ich das nicht, so will ich persönlich oder durch Briefe und sichere Boten ihn dir kundtun. Nach Vermögen und Wissen will ich dir helfen zur Erhaltung des römischen Papsttums und der Regale St. Peters, welche du besitzest, oder zu Wiedererlangung derer, die du nicht besitzest, und ich will dir das Wiedererlangte gegen alle Welt verteidigen.«
Wieviel Mißtrauen – und wie wenig Gottvertrauen – spricht aus diesem Text, in dem nun der gesamte Besitz aufgezählt wird, von St. Peter bis zum Hafen Ostia und zu der Domäne Tuskulum, »überhaupt alle Gerechtsame in und außer der Stadt«. So zögert Innozenz auch nicht, die städtischen Teile des Kirchenstaats wieder zu übernehmen, die dortigen Verwalter Roms durch päpstliche Rektoren abzulösen und die Barone des römischen Dukats, bisher Anhänger des Kaisers, durch Treu- und Lehnseid an sich zu binden. Kurz, der Heilige Vater, wie seinerzeit die führenden Exsenatoren Johann Capocci und Johann Pierleone Rainerii höhnten, hatte die Stadt all ihrer Herrschaft beraubt und sie »wie der Habicht das Huhn gerupft«. 12
Schlimmer noch: Innozenz nutzte die allgemeine Verwirrung während der Thronvakanz, nutzte den nach Heinrichs VI. unerwartet frühem Tod in Deutschland ausbrechenden Fürstenstreit sowie die desolaten Zustände der Reichsverwaltung in Italien zur schnellen Kassierung von Gebieten, die den Päpsten von deutschen Herrschern – meist aufgrund der gefälschten Konstantinischen Schenkung – zwar zugesprochen, doch nicht wirklich übereignet worden waren (vgl. IV 374 ff.! 432 ff.!).
In Wahrheit schufen die sogenannten Rekuperationen, die angeblich den Kirchenstaat wiederherstellten, ihn »erst wirklich« (Hagen Keller). Zumindest in diesem Umfang
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